„Der Patient scheint im Weg zu sein“
Mediziner Gernot Rainer übt Kritik am Gesundheitssystem. Dafür sei er entlassen worden.
INTERVIEW.
Vor einem Jahr sorgte der Fall des Wiener Lungenfacharztes Gernot Rainer für Aufsehen. Der Krankenanstaltenverbund, ein Unternehmen der Stadt, verlängerte wider Erwarten seinen Dienstvertrag nicht. Laut Rainer habe ihn Kritik am Gesundheitssystem den Kopf gekostet. Der gebürtige Kärntner zog vor Gericht, seit November wartet er auf ein Urteil. Seine Kritik hat er indes in ein Buch gegossen.
Zum Beispiel die veränderte Sichtweise auf den Patienten. Da im Gesundheitsbereich immer mehr Betriebswirte am Ruder sind, wird der Patient zur Nummer und durch das System geschleust. Statistisch gesehen wird er im Arztgespräch schon nach 16 Sekunden unterbrochen. Dabei ist das essenziell für die Diagnose. Und genau hier liegt der Fehler. Ein Kassenarzt wäre wirtschaftlich ruiniert, wenn er sich Zeit nimmt und nicht stattdes- Untersuchungen und Überweisungen anordnet. Denn die werden ihm abgegolten. Man müsste die duale Finanzierung abschaffen. Krankenkassen und Länder schieben die Patienten hin und her, damit der jeweils andere für die Behandlung aufkommen muss. Außerdem: Wir haben 21 Sozialversicherungsträger, aber keine Wahlfreiheit. Wofür brauchen wir all diese Kassen? Dass Sozialminister Stöger eine entsprechende Studie in Auftrag gege- ben hat, ist gut. Eine eventuelle Reduktion auf vier Kassen wäre ein immenser Fortschritt. Weil jede Kasse verzweifelt um ihre Macht kämpft. Meiner Meinung nach müsste man das System als Ganzes, also auf Bundesebene ändern. So richtig versucht hat das aber noch niemand, denn dafür bräuchte man Mut – und eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Stattdessen wird an den falschen Ecken und Enden gespart. Zum Beispiel, wenn es um oft lebenssen