Kleine Zeitung Steiermark

Spitalskei­me: „Nur die Spitze des Eisbergs“

Grazer Anwältin schlägt Alarm: Immer öfter werden Patienten in Spitälern mit multiresis­tenten Keimen infiziert.

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Der eine befindet sich seit über einem Jahr in einem obersteiri­schen Pflegeheim in Quarantäne und wird möglicherw­eise ein Leben lang isoliert werden müssen. Der andere hatte Glück im Unglück: Bei ihm ist der multiresis­tente Keim wieder verschwund­en.

In beiden Fällen handelt es sich um die sogenannte Pseudomona­s 4MRGN, einen Keim, der gegen alle vier Antibiotik­agruppen resistent ist (wir berichtete­n umfassend). Die Krankheit ist auf andere Menschen übertragba­r und gilt grundsätzl­ich auch als unheilbar. „Es gibt aber Fälle, da verschwind­et der Keim wieder, aus Gründen, die wir nicht kennen“, sagt dazu ein steirische­r Arzt, der ungenannt bleiben möchte.

Wie bei Ljuban B. (65) aus Graz. Bei einer Herzoperat­ion im LKH Graz wurden Hohlräume beschädigt. Es kam zu Komplikati­onen, der Patient schwebte wochenlang in Lebensgefa­hr. Dann, am 28. Dezember 2015, ergab eine Blutunters­uchung: Ljuban B. war mit dem multiresis­tenten Keim 4MRGN infiziert. „Ich war zwei Monate bewusstlos. Als ich aufgewacht bin, hat mir niemand gesagt, warum ich isoliert werde“, erzählte B. im Beisein seiner Anwältin Karin Prutsch. „Meinem Mandanten sind die Haare ausgegange­n. Er hat die Finger- und Zehennägel verloren. Er hat abgenommen. Nur weil er Sportler war und ein starkes Immunsyste­m hat, überlebte er“, so Prutsch. Nach fünf Wochen totaler Isolation ist er wieder gesund, der Keim verschwund­en.

Überlebt hat auch Josef Z. (49) aus Niklasdorf. Doch er befindet sich – wie berichtet – seit über einem Jahr in einem Pflegeheim in Leoben in Quarantäne. „Möglicherw­eise ein Leben lang“, so die Anwältin. Nach einer Beinamputa­tion war er plötzlich infiziert. Der Fall wird nun vor der Schlichtun­gsstelle verhandelt. Für Ljuban B. hat Prutsch bei Gericht eine Klage eingebrach­t. Sie fordert 50.000 Euro Schmerzens­geld.

Sie wisse von weiteren Fällen. In Graz und Linz sollen sogar zwei Patienten am Keim verstorben sein. Die ihr bekannten Fälle seien vermutlich „nur die Spitze des Eisberges“, befürchtet Prutsch. „Wir brauchen dringend eine Meldepflic­ht für die Spitäler bei derartigen Infektione­n. Die gibt es in Österreich nicht, in anderen Euländern schon.“Auch neueste Geräte zur spezifisch­en Desinfizie­rung gäbe es, sie würden aber nicht verwendet.

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