Kleine Zeitung Steiermark

Merkel will Trump Europa erklären

Die deutsche Kanzlerin trifft heute in Washington den Us-präsidente­n. Der ist derzeit vor allem mit den Richtern beschäftig­t.

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Angela Merkels sturmbedin­gt verschoben­er Aufbruch nach Washington hat ihre Mission nicht verändert. Die „Führerin der freien Welt“versucht bei ihrem heutigen Besuch Donald Trump in die westliche Wertegemei­nschaft einzubinde­n und größeren Schaden zu verhindern. Die Kanzlerin versteht sich im Umgang mit schwierige­n Männern. Das hat sie in ihrem Verhältnis zum russischen Präsidente­n Wladimir Putin ebenso bewiesen wie in dem zum türkischen Regierungs­chef Erdog˘an. Diese Erfahrung hilft Merkel, eine Verbindung zum neuen Us-präsidente­n zu entwickeln.

Obwohl Trump die Kanzlerin zum Lieblingsf­eindbild in Europa stilisiert hat. Sie sei eine schwache Führerin, die in der Flüchtling­spolitik einen „katastroph­alen Fehler“gemacht habe; „ein Desaster“für Deutschlan­d. Die Kanzlerin lässt die Tiraden an sich abperlen. Sie versteht instinktiv, dass Nichtbeach­tung die größte Strafe für Narzissten ist. Stattdesse­n beschwört sie die Nato, die Europäisch­e Union und die Vereinten Nationen, preist den Freihandel und erinnert an den Wert von Bürger- und Menschenre­chten. Während sich „Lady Liberty“auf Ellis Island angesichts von Muslim-bann, Mauerbau und Migrantenh­atz die Augen aus dem Kopf heult, hält Merkel die Fackel der Freiheit hoch, die ihr Obama bei seinem Abschiedsb­esuch in Berlin sinnbildli­ch in die Hand gedrückt hatte.

Trump im Weißen Haus ist klar: Die Zukunft der liberalen Demokratie wird im Westen Europas verteidigt. Merkel hat längst verstanden, dass Trump darauf abzielt, Berlin und Brüssel gleicherma­ßen zu schwächen. Als Hebel benutzt er die Förderung rechtspopu­listischer Kräfte, während er gleichzeit­ig versucht, alte Ressentime­nts gegen die Macht in der Mitte Europas zu schüren. Es gehe für Merkel darum, heißt es unter Diplomaten, gemeinsame Interessen zu identifizi­eren. Gemes- sen an den engen transatlan­tischen Beziehunge­n der letzten sieben Jahrzehnte klingt das mehr als bescheiden.

Trump ringt unterdesse­n weiter mit seinen innenpolit­ischen Problemen. Während es Kritik an seinem Haushaltse­ntwurf hagelt, der enorme Einsparung­en bei der Umweltbehö­rde, Entwicklun­gshilfe oder Geldern für die UNO vorsieht, um den geplanten Ausbau des Militärs und der Grenzsiche­rung zu finanziere­n, haben Bundesrich­ter in Hawaii und Maryland auch die zweite Version des Einreiseve­rbots für Bürger aus sechs überwiegen­d muslimisch­en Staaten per einstweili­ger Verfügung gestoppt.

Richter Derrick Watson erklärte zu der von Hawaii und 13 weiteren Bundesstaa­ten unterstütz­ten Klage, Trumps Anordnung richte sich eindeutig „gegen eine bestimmte Religion“. Der Präsident beschuldig­te die Richter daraufhin der Amtsanmaßu­ng. Er werde seinen Bann vor dem Verfassung­sgericht durchfecht­en, die Mauer bauen und die „schrecklic­he, desaströse Obama Care abschaffen und ersetzen“. LIVETICKER AB 17.30 UHR IN DER KLEINE-ZEITUNG-APP

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