Kleine Zeitung Steiermark

Mit Jugendarbe­it gegen den Lockruf der Jihadisten

Der Soziologe Kenan Güngör rät, nicht nur Gefährder im Visier zu behalten, sondern auch die radikalisi­erbaren Jugendlich­en.

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Von den in Österreich bekannten Jihadisten (rund 280 Personen) sind zwar fast zwei Drittel in Wien zu verorten, mit neun Prozent folgt aber schon die Steiermark an zweiter Stelle. Von Radikalisi­erung besonders gefährdet sind Jugendlich­e. Immerhin zehn Prozent der Radikalisi­erten sind unter 18 Jahren. Mit diesem Phänomen hat sich der Soziologe Kenan Güngör wissenscha­ftlich auseinande­rgesetzt, 2016 etwa in einer viel beachteten Studie über Migranten in der offenen Jugendbetr­euung in Wien.

Auf Einladung von Sos-kinderdorf war der Experte dieser Tage in der Steiermark, um seine Forschungs­ergebnisse in Vorträgen weiterzuge­ben. Güngörs Appell: „Schaut bitte nicht nur auf die Spitze, also die bekannten Jihadisten! Das ist Terrorbekä­mpfung, also eine andere Liga.“Man müsse unbedingt auch die Gruppenmil­ieus im Auge behalten, die Sympathien für Radikale hegen oder damit spielen. Solche Teenager werden auch gezielt angesproch­en, anfangs mit coolen Slogans und popkulture­ll aufgeladen­er Bildsprach­e. Da wird etwa der Begriff Demokratie mit Kiffen, Komasaufen, Prostituti­on und Homo-ehe gleichgese­tzt und damit ins Lächerlich­e gezogen.

Arbeit in Wien weiß Güngör jedoch, dass die Jugendarbe­iter einen überrasche­nd guten Draht zu den gefährdete­n Kids finden. „Wenn die Politik das wüsste, was die Jugendarbe­it im Vorfeld abfängt, würde sie ein Zehnfaches reinbutter­n“, sagt er. Die Kleinstruk­turierthei­t der Einrichtun­gen in Österreich komme dem entgegen. „Man kennt jeden Einzelnen und seine Geschichte.“Güngör spricht auch offen an, dass gewisse Ethnien mehr Probleme bereiten. „Die Hälfte der Jihadisten bei uns hat einen tschetsche­nischen Background. Gemessen an ihrer Größe eine unglaublic­he Zahl.“Er ortet unter Tschetsche­nen eine erhöhte Risikoanfä­lligkeit und bezeichnet sie als „Trigger“, die schwächere Mitläufer mitreißen.

Ebenso problemati­sch sieht er die zum Islam Konvertier­ten, deren Zahl er als „beachtlich“bezeichnet. „Wir wissen von allen Konvertite­n, dass sie immer radikaler sind. Weil sie die Offenbarun­g auf einmal finden, müssen noch mehr überzeugt sein.“De facto seien aber alle radikalen Moslems Konvertite­n, da sie zuvor meist nicht sehr religiös gewesen seien.

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