Die chorreichen Sieben
„Die Orestie“im Burgtheater. Verknappt, spannend, zeitlos. Und unkonventionell. Sieben Akteurinnen spielen alle Rollen.
Missbrauch dieses Instrument namens Demokratie in der Gegenwart wieder geworden ist. Durch anmaßende Machtmenschen, die Paragraphen nach Schlechtdünken biegen, brechen, dehnen oder aber meinen, beliebig neue Gesetze in die Welt setzen zu können.
die auf der völlig kargen, meist düsteren Bühne stehen. Sie verkörpern den Chor, sie sind die Rächegöttinnen (die am Ende auch ausgedient haben), sie verwandeln sich nahtlos in Protagonistinnen und Protagonisten. Und sie zwingen das Publikum geradezu, teilzunehmen an einem Schauprozess (da lässt auch Herrn Schirachs „Terror“deutlich grüßen) und sich ein eigenes Urteil zu bilden über all das Gemetzel und die Meuchebeklemmende leien. Wobei an darstellerischen Glanzleistungen keinerlei Mangel besteht.
Maria Happel irrt als vom Sockel geholter Pseudo-kriegsheld Agamemnon in lächerlichen, immerhin aber mächtigen Plateauschuhen herum, Caroline Peters ist als Klytaimestra, die ihren Mann, Agamemnon, eiskalt in den Hades schickt, ein diabolisches Heuchelmonster. Andrea Wenzel berührt zutiefst als Kassandra, wissend um ihr schauderhaftes Schicksal, aber nicht mehr gewillt, diesem zu entgehen. Und Aenne Schwarz ist als Klytaimestras Sohn und Muttermörder Orestes getrieben, zerklüftet, enthemmt; ein Spielball im Wechselspiel zwischen Schuld und Sühne. mehr als zwei Stunden dauernde, spannende und Lektion über Machtmissbrauch, sinnlose und mitunter schwachsinnige Vergeltungssucht, dargeboten von chorreichen und fast durchwegs glorreichen Sieben (nur Sarah Frick schwächelt als blasse Elektra). Sie zeigen einem zum Teil offenkundig irritierten Publikum bravourös, wer die Hosen anhaben kann.
Lediglich zwei Schwachstellen gibt es: Die zum Teil hölzerne Übersetzung von Peter Stein (da wäre der Griff zu Kurt Steinmanns aktueller, epochaler Neuversion naheliegend gewesen) und den kitschigen Schlussauftritt von Pallas Athene. Dennoch gilt: Es ist kein Blick zurück in die Antike, es ist eine Exkursion zu aktuellen, finsteren Abgründen, in denen archaisch anmutende politische Abrissbirnen wüten.