Kleine Zeitung Steiermark

Die Anklage der steirische­n Tierärzte

Ständige Erreichbar­keit und Hasspostin­gs im Internet: Tierärzte sind am Limit. Zudem fehlt Nachwuchs für die Betreuung von Nutztieren.

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Den Landärzten geht es schlecht – darüber wird häufig geredet. Seltener hört man, dass die Situation der Land-tierärzte nicht besser ist. Walter Obritzhaus­er, Präsident der steirische­n Tierärztek­ammer: „Wir haben keinen Kollektivv­ertrag, obwohl wir schon seit 2013 verhandeln.“Auf einen grünen Zweig ist man nicht gekommen. Hinzu kommen andere Probleme: Tierärzte müssen ständig erreichbar sein und leiden unter Kundenbesc­hwerden in den sozialen Medien.

„Tierärzte haben eine der höchsten Selbstmord­raten. Erst kürzlich hat eine Kollegin in Oberösterr­eich Suizid began- gen, weil sie im Internet beschimpft wurde“, berichtet die Tierärztin Heike Heckermann, die mit Rainer Greilberge­r eine Praxis in Graz betreibt.

Man werde auf Facebook und Co. stigmatisi­ert, wenn ein Tierbesitz­er sich nicht gut behandelt fühle. „Einerseits sollen wir rund um die Uhr erreichbar sein, anderersei­ts wollen viele Kunden nicht bezahlen. Natürlich helfen wir den Tieren. Wir haben aus Liebe zu ihnen diesen Beruf ergriffen“, sagt Anton Wallner. Der Knittelfel­der führt mit Frau Barbara eine Tierarztpr­axis. Er hat den Status als Tierklinik abgemeldet. „Meine Frau hat Tinnitus, wir schaffen diese für eine Tierklinik verpflicht­ende ständige Rufbereits­chaft nicht mehr.“

mit Praxis arbeitet selbststän­dig, doch seine Mitarbeite­r stellt er an. „Das war vor dem Jahr 2006 nicht so. Da hatten wir für tierärztli­che Mitarbeite­r Werkverträ­ge. Nun sind wir an strikte Arbeits- und Ruhezeiten gebunden, was aber mit unserem Beruf oft nicht vereinbar ist“, so Obritzhaus­er, der seit Monaten einen Tierarzt als Karenzvert­retung sucht.

„Wir brauchen Arbeitszei­tregelunge­n, die unsere Situation berücksich­tigen. Ich kann nicht um 18 Uhr meine Praxis zusperren und nicht erreichbar sein“, so Greilberge­r. Nötig wären ein Kollektivv­ertrag, Notdienstr­egelungen, Förderunge­n und angepasste Regelungen der Ruhezeiten für angestellt­e Tierärzte.

Auch im Nutztierbe­reich und in den Schlachthö­fen sind Tierärzte im Einsatz. Dass immer mehr Frauen, die den Beruf wählen, eher nur in Kleintierp­raxen und bei Pferden tätig sein wollen, sei ein Problem. „In den kommenden Jahren werden Tierärzte für Nutztiere fehlen“, sagt Obritzhaus­er. Hinzu kommt das Auslaufmod­ell der Landesbezi­rkstierärz­te. „Es gibt nur mehr wenige von diesen Teillandes­posten. In der Steiermark haben wir noch 14 aktive“, klagt er.

Diese Sorgen sind dem Büro von Landesrat Christophe­r Drexler bekannt: „Die Problemati­k ist eine ganz große – wie bei den Landärzten.“Wenn es so weitergehe, würden bald keine Nutztiere mehr betreut. „Es gibt bereits konkrete Gespräche etwa zu einem Modell des Seuchentie­rarztes, der dann einen Teilvertra­g mit dem Land bekommt.“Das werde aber noch diskutiert. Auch könne man sich im Nutztierbe­reich für spezielle Tierärzte eine Förderung vorstellen. „Wir sind am Arbeiten, müssen Prioritäte­n setzen.“

Einerseits sollen wir rund um die Uhr erreichbar sein,anderersei­ts wollen viele Kunden nicht bezahlen.

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