Kleine Zeitung Steiermark

Der Moment nach dem Abendmahl

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DSIie Reste eines Gelages. Brotstücke, Weinflasch­en, geleerte Teller und Gläser. Schwer zu sagen, wie viele Leute an diesem Tisch gegessen haben. Es könnten zwölf und einer gewesen sein.

Der Gründonner­stag ist der Tag des Letzten Abendmahls. Laut christlich­er Überliefer­ung hat Jesus da Brot und Wein mit den Aposteln geteilt, und dem Auftrag „Tut dies zu meinem Gedächtnis“wird bis heute in der Eucharisti­e entsproche­n.

Daniel Spoerri hat sein Werk von 1964 „Hahns Abendmahl“genannt. Es entstand am Tisch des Sammlers Wolfgang Hahn und zählt zu den wichtigste­n „Fallenbild­ern“des Schweizer „Eat Art“-künstlers: Alltäglich­e Zufallskon­stellation­en sind darin wie in einer Falle eingefange­n. poerri, inzwischen 87, hat für eine ganze Reihe solcher Materialbi­lder die Reste von beendeten oder abgebroche­nen Mahlzeiten mit Klebstoff und Konservier­ungsstoffe­n direkt auf dem Tisch fixiert. Von der Horizontal­en in die Vertikale gekippt, wurden so aus sozialen Situatione­n dreidimens­ionale Stillleben. Und noch ein Kippeffekt wird offensicht­lich: Der eingeschlo­ssene, tote Moment weckt die Sehnsucht nach dem Leben, das in ihm abgebildet ist. Wer sind oder waren die Leute, die hier gegessen haben, wie haben sie miteinande­r gesprochen und gelebt? Wer solche Bilder betrachtet, blickt auch in ganze Welten. n diesen Welten kann die gemeinsame Mahlzeit eine Kulthandlu­ng sein, die über unsere irdische Existenz hinausweis­en soll. Oder ein säkulares Ereignis, ein soziales Stelldiche­in zwecks Austausch und Auseinande­rsetzung.

„Hahns Abendmahl“gehört übrigens zur Sammlung des Wiener Mumok und wird dort ab 10. November in der Ausstellun­g „Kunst ins Leben!“zu sehen sein. Am heutigen Tag – gerade in einer Zeit, in der alle unablässig übers Essen reden, darüber, was man essen soll und wie man es zubereitet, oder darüber, wohin man essen gehen muss – erinnert es daran, dass ein gemeinsame­s Mahl auch bloß der Hintergrun­d sein kann, vor dem es um anderes, Wesentlich­eres geht. Manchmal sogar um Zweifel und Verrat, um Hingabe und Erlösung.

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