Die tägliche Plage
MIan mag an Österreich manches kritisieren, aber nicht seine europaweit führende Feiertagskultur. Ihre Basis bilden konfessionelle Gedenktage, die nur noch eine Minderheit in stiller Andacht verbringt, von den meisten aber für Ausflüge oder sonstige Lustbarkeiten genutzt wird. In Japan gibt es ein eigenes Wort für den Tod durch Überarbeitung („karoshi“) und eine eigene Wendung für Faulheit: „glücklich wie ein Europäer“. Dann bleiben wir doch lieber in unserer Kultur. Von der Antike bis in die Gegenwart haben unsere Denker ein Loblied auf den Müßiggang gesungen. Der Mensch lebt ja nicht für seine Arbeit, sondern arbeitet, um zu leben. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Aber durch den Primat der Wirtschaft und deren fragwürdigen Wunsch nach stetem Wachstum, das durch kopflosen Konsum gewährleistet werden soll, ist das Leistungsprinzip zum Dogma erhoben worden, das die religiösen Dogmen schon weitgehend abgelöst hat.
„Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.“Die Botschaft der Bergpredigt will die Wirtschaftskammer nicht hören. Sie hält unsere dreizehn Feiertage für eine Plage. Nicht wie die Vögel in den Lüften, die nicht säen, oder die Lilien auf dem Felde, die wachsen, um zu blühen, sollen die Menschen sein, sondern brav immerfort den Acker bestellen und die Ernte einbringen, auf dass es ihnen wohlergehe auf Erden – und vor allem denen, die den Mehrwert ihres Fleißes verzehren. ndustrievertreter schlagen vor, Feiertage so zu legen, dass sie immer auf Sonntage fallen. Sie sollten sich lieber ökonomische Lösungen für das wirkliche Zukunftsproblem ausdenken. In unserem Gesellschaftssystem verspricht Arbeit durch zunehmende Digitalisierung zu einem knappen Gut zu werden. David Graeber meint, jene „Untüchtigen“, die sich mehr Freizeit nehmen, um sich um die Menschen zu kümmern, die sie lieben, sollten wir „als Vorreiter einer neuen Wirtschaftsordnung betrachten, die weniger als die gegenwärtige darauf versessen ist, sich selbst zu zerstören“.
Die Wirtschaft hat das Leistungsprinzip zum Dogma erhoben, das die religiösen Dogmen weitgehend abgelöst hat.