Karfreitag feiern?
FMür evangelische Christinnen und Christen ist heute ein „Feiertag“. Sehr viele von ihnen besuchen aus diesem Anlass einen Gottesdienst – schon am Vormittag oder auch am Nachmittag zur Todesstunde Jesu um 15 Uhr. In der Regel sind evangelische Kirchen am Karfreitag mindestens so voll wie sonst nur zu Weihnachten. Das ist ganz tief im evangelischen Selbstverständnis verwurzelt. Menschen sind nicht erlöst aufgrund ihrer guten Werke oder großartigen Leistungen, sondern aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit.
Und im Tod Jesu am Kreuz von Golgatha hat die grenzenlose Liebe Gottes ihren besonderen Fokus gefunden. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen …“, heißt es beim Propheten Jesaja. Und weiter: „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“Diese alttestamentlichen Worte sind in der Christenheit schon sehr früh auf Jesus Christus bezogen worden. Wenn man so will, resultiert die berühmte evangelische „Freiheit“also geradewegs aus dem Karfreitagsgeschehen.
Deshalb ist der Gedenktag des Leidens und Sterbens Jesu Christi auf jeden Fall ein „heiliger“Tag. Für Evangelische sind der Besuch eines Gottesdienstes und die Reflexion des eigenen Lebens vor dem Angesicht Gottes integrale Bestandteile im Tagesablauf. Persönlich könnte ich mir etwa nur schwer vorstellen, diesen Tag in Form eines ganz normalen Arbeitstages zu verbringen. Gut vorstellen kann ich mir hingegen, dass wir den Karfreitag mit anderen Konfessionen gemeinsam begehen. Denn hier gibt es zwischen den Kirchen in Wahrheit keine theologischen Differenzen. it dem Karfreitag als allgemeinen „Feier“tag – im Sinn von Jubel, Trubel, Heiterkeit oder auch nur im Sinn von reinem Wellnessprogramm – hätte ich allerdings gewisse Schwierigkeiten. Wie immer der Europäische Gerichtshof nun entscheidet, es sollte in dieser Frage primär nicht um Geld oder um Privilegien gehen, sondern um die angemessene Würde des Tages.
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir den Karfreitag gemeinsam mit anderen Konfessionen begehen.