Aus der Tiefe
Yannick Bodin aus Juilley in der Normandie hat alles verloren, was man als Bauer verlieren kann. Seine Kühe, seinen Stolz, seine Zuversicht. Jetzt wählt er Le Pen.
Verstehen Sie, Monsieur, warum ich den Front National wähle? Monsieur, verstehen Sie, dass ich Le Pen wähle!“Was gerade noch als Frage daherkam, gerät in der Wiederholung zum Schrei aus der Tiefe, zum zornigen Befehl, der keine Gegenrede duldet.
Und was soll man auch schon groß einem Mann erwidern, der soeben erzählt hat, dass er sich das Leben nehmen wollte, weil ihm die Schulden über den Kopf gewachsen sind und er in seiner Not weder ein noch aus wusste? Und dass die Chefin des Front National die einzige Persönlichkeit aus der französischen Politik war, die seinem Hilferuf gefolgt ist und sich von seinem Elend ein Bild gemacht hat.
Ein Jahr ist das jetzt her, und Yannick Bodin hat es Le Pen nicht vergessen. Er ist ein stämmiger, extrovertierter Mann Anfang vierzig mit Brille und schütterem Haar, ein hemdsärmeliger Macher, der sich nicht unterkriegen lassen will vom Leben und seinen Widrigkeiten. Deshalb wird er bei den Präsidentschaftswahlen für die Rechtspopulistin stimmen. Und wenn im Juni dann ein neues Parlament gewählt wird in Frankreich, wird er sogar für den Front National kandidieren. „Macht das einen Rechtsextremen aus mir?“, fragt Bodin. „Die Wahrheit ist: Ich habe nichts mehr zu verlieren. Deshalb wähle ich Marine Le Pen!“
in Juilley, einem Dorf in der Normandie, besser gesagt, er war es. Denn er musste alle Tiere verkaufen und im riesigen Stall herrscht jetzt gähnende Leere. 80 Stück Vieh waren es. Das ist viel, wenn man an die zwei Kühe denkt, mit denen sein Vater Mitte der 60erjahre nach der Rückkehr aus dem Algerienkrieg begann.
Bodin ist ein Opfer der Krise, die die französische Milchwirtschaft seit Jahren in Schüben heimsucht und das Land nach dem Auslaufen der Eu-milchquoten vor zwei Jahren mit besonders großer Wucht überrollt hat. Der niedrige Milchpreis war am Ende auch für Yannick Bodins Hof das Todesurteil. Im vergangenen August hat der Landwirt zugesperrt.
Dabei wirkt alles so friedlich hier in Juilley tief im Westen von Frankreich. Kühe grasen grünen Weiden unter Apfelbäumen, die Bauernhöfe sind aus gemauertem Stein und der Mont-saint-michel, der weltberühmte Klosterberg am Ärmelkanal, liegt ganz in der Nähe.
Ein Idyll ist die Landschaft aber nur für den, der ihr nicht seine Existenz abtrotzen muss. Niemand weiß das besser als Bodin. „Wir haben in der Normandie viele Höfe mit 60 bis 70 Kühen“, erzählt der Bauer. „Das sind Familienbetriebe, die, um auf dem Markt mitzuhalten und die hohen Investitionskosten wettzumachen, immer industrieller werden müssen. Gleichzeitig stagniert der Milchpreis seit 20 Jahren.“Rechne man die Kosten für das Futter und den Tierarzt dazu, gerate die Milcherzeugung vollends zum Verlustgeschäft. „Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich keine Milch produzieren darf “, sagt Bodin. Viele würden weitermachen in der Hoffnung, dass die Preise steigen, und sich von den Banken Geld ausleihen. „Aber das ist verrückt. Das wollte ich nicht. Deshalb bin ich ausgestiegen“, sagt Yannick.
Er sagt es so beiläufig dahin. Aber die Wunde ist noch frisch. Bodin berichtet von der Zuversicht, mit der er 1997 den elterliauf