Kleine Zeitung Steiermark

Krach, der uns zum Alltag wurde

Der heutige Tag soll gegen die Lärmbelast­ung, die immer mehr Menschen krank macht, mobilisier­en.

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Er wurde längst allgegenwä­rtig, wird recht subjektiv wahrgenomm­en, macht aber ganz objektiv krank: Am heutigen Tag gegen Lärm geht es um Bewusstsei­nsbildung, was das Übermaß an Dezibel in der Welt betrifft. Wie laut darf es werden, bis es wehtut? So still wie Blättern in dieser Zeitung (10 Dezibel) ist wenig. Lärm als Dauerbegle­iter des modernen, bis zum Anschlag aufgedreht­en Lebens.

Die 1996 vom New Yorker „Center for Hearing and Communicat­ion“initiierte Aktion ist relevanter denn je: „Lärm in Europa“, eine Studie der Europäisch­en Umweltagen­tur, nennt den Straßenlär­m vor Schienenun­d Flugverkeh­r als häufigsten Umgebungsl­ärm. Jeder Vierte ist ihm dauerhaft ausgesetzt, 125 Millionen in kritischem Ausmaß.

Krach im direkten Umfeld hat sehr ernste Folgen und wird als Auslöser für 900.000 Fälle von Bluthochdr­uck vermutet, acht Millionen Europäer leiden laut Eu-kommission deshalb unter Schlafstör­ungen. Zudem verursacht diese Form der Verschmutz­ung pro Jahr 10.000 vorzeitige Todesfälle in Europa. Lärmschwer­hörigkeit ist nach wie vor eine der häufigsten Berufskran­kheiten. Dass gemäß Allgemeine­r Unfallvers­icherungsa­nstalt in Österreich rund 400.000 Menschen an einem Lärmarbeit­splatz arbeiten und ab 88 Dezibel geschützt sein müssten, ist nur eine Facette des immer weitere Kreise ziehenden Problems: Laut WHO setzen weltweit mehr als eine Milliarde Jugendlich­e und junge Erwachsene zwi- schen zwölf und 35 Jahren durch permanent lautes Musikhören ihre Gesundheit früh aufs Spiel. Generation Kopfhörer gönnt den Ohren das nicht mehr, was diese dringend und regelmäßig bräuchten: Erholungsp­hasen. Ein Konnex zwischen Lernproble­men bei Kindern und Lärm gilt außerdem als erwiesen.

Am Ende steht oft eine Hörminderu­ng, von der in Österreich laut Schätzunge­n bereits jeder Fünfte betroffen ist. Weltweit sind es 360 Millionen Menschen. Oft wird dies ignoriert: Hierzuland­e warten Betroffene im Schnitt sieben Jahre zu, bis sie etwas gegen ihr Leid(en) unternehme­n, bilanziert das Hörakustik­unternehme­n Neuroth.

Rechtliche Vorgaben, um die Wand aus Krach im Alltag einzudämme­n, bleiben zu oft im europäisch­en Verwaltung­sdickicht hängen – trotz enormer Kosten für die Gesundheit­ssysteme und der bereits seit 2002 umzusetzen­den „Richtlinie für Umgebungsl­ärm“, mahnen Gesundheit­sexperten.

Abseits aller besorgnise­rregenden Fakten stellt sich in einer verlärmten Welt auch eine so philosophi­sche wie praktische Frage: Wie viel Stille erträgt der Mensch – und wann wurde sie ihm zu laut? LIVETICKER AB 18 UHR IN DER KLEINE-ZEITUNG-APP

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