Wir sind Thiem
Augenblicke
Bonjour Kathrin“, der Musikfilm mit Peter Alexander und Caterina Valente aus dem Jahr 1956, lief auf ORF 2, das „Qualifying“für den Formel-1grand-prix von Russland auf ORF eins, als in Barcelona – nein, ausnahmsweise nicht Messi, Neymar oder Iniesta Fußball spielten –, sondern der Österreicher Dominic Thiem und der Schotte Andy Murray Tennis. Und was niemand für möglich gehalten hatte und auch niemand außer den Sky-abonnenten sah, geschah: Der Österreicher gewann!
Der Sky über dem Kärntner Unterland war blue und gratis, als ich mit meiner Frau dort – übrigens zufällig in der Nähe des Grabs von Horst Skoff – spazierte, als mich die Nachricht vom Triumph erreichte, und natürlich war ich auf Anfrage sofort begeistert, habe am Telefon aber „Team“statt „Thiem“verstanden – und irrtümlich an die Eishockeynationalmannschaft gedacht, die ja (auf Sport+, allerdings ebenfalls ohne mich) die B-WM gewonnen hatte. Und darüber, dass Andy Murray mittlerweile die Nummer 1 der Welt ist, musste mich auch erst meine Frau unterrichten …
Thiem im Finale von Barcelona! Sind wir jetzt wieder eine Tennisnation? Einer für alle? Sind wir Thiem? Funktionieren die Mechanismen noch wie damals? Für Muster habe ich mir noch Nächte um die Ohren geschlagen, wenn er bei den Usopen oder in Australien war. Nur die Füße sind mir eingeschlafen bei den schier endlosen Grundlinienduellen und dem nervenaufreibenden urlautgarnierten Winkelspiel. Und Paris von der ersten Runde an! Alles gewusst! Selbst von den Kontrahenten! Würde ich das für Dominic Thiem auch tun? Würde ich die Daumen halten in den fünften Sätzen ohne Tiebreak? Ich fürchte nicht. In Barcelona spielt man ohnehin nur „best of three“. Selbst wenn ich wollte: Bis morgen bekäme ich keine Sky-box, und übermorgen würde ich sie schon wieder loswerden wollen. Ich fürchte: Muster waren wir noch. Thiem sind wir nicht mehr. Oder bin bloß ich nicht mehr Thiem? Nicht mehr im Team? Bin ich nicht mehr Teil unseres Wir? Man sagt von Künstlern ja, dass sie in höheren Jahren schwierig und eigenbrötlerisch werden … Beckett z. B. ist bei einem Paris-finale auf der Tribüne eingeschlafen. Also, bonjour, lieber Dominic Thiem, nach Roland Garros oder Wimbledon würde ich Sie begleiten, wenn sich eine günstige mediale Mitfahrgelegenheit ergeben sollte, für Barcelona und gegen Nadal wünsche ich aus der Ferne alles Gute! Ihr eigener Trainer ist ja auch zu Hause geblieben!