Wiener SPÖ steht vor dem Scherbenhaufen
Streichorgie bei Wiener Spö-parteitag: Häupl mit dürftigen 77,4 Prozent, Gegenspieler Ludwig gar nur mit 67,8 Prozent.
Chef Häupl, der vor zwei Jahren beim Parteitag noch mit 95,8 Prozent glänzte, stürzte auf 77,4 Prozent ab, Ludwig schaffte gerade einmal 67,8 Prozent. Auch die engsten Vertrauten der beiden Rivalen fuhren katastrophale Ergebnisse ein: Häuplvertraute Renate Brauner kam auf 67,5 Prozent, Ludwig-mitstreiterin Doris Bures auf 75,3 Prozent, Simmerings Parteichef Harald Troch, der wiederholt den Rücktritt des Spö-chefs gefordert hatte, gar auf nur 65 Prozent. Der immer wieder als möglicher Häupl-nachfolger genannte Andreas Schieder erzielte 78,2 Prozent. Nur wer sich in den letzten Wochen und Monaten einigermaßen neutral verhalten hatte, überschritt die 80-Prozent-schwelle, die ein zumindest achtbares Resultat garantiert. Werner Faymann kam in seinen schlechtesten Tagen immerhin auf 84 Prozent.
Die Konsequenzen des Fiaskos sind noch nicht absehbar. Durch die Wiener SPÖ zieht sich ein tiefer, kaum zu überbrückender Graben. Das beispiellose Streichkonzert belegt das tiefe Misstrauen zwischen beiden Lagern. Wer tagsüber mit den Delegierten sprach, kam aus dem Staunen nicht heraus. Der anderen Seite eines auszuwischen, das sei das Ziel bei der Abstimmung, lautete vielfach der Tenor.
Was dem Niederösterreicher Erwin Pröll und dem Oberösterreicher Josef Pühringer gelungen ist, hat SPÖ-CHEF Häupl in den letzten Jahren verabsäumt: rechtzeitig hinter den Kulissen die Weichen für einen geordneten Übergang zu stellen und einen Kronprinzen in Stellung zu bringen. Mit der Flüchtlingskrise brach der schwelende Konflikt auf. Dass Sonja Wehsely, die Frontfrau des Willkommenslagers, die Regierung verließ und der Politik den Rücken kehrte, konnte die festgefahrenen Fronten auch nicht mehr aufweichen.
Der offizielle Parteitag, also der auf der Bühne ausgetragene Redemarathon, lief vergleichsweise harmonisch ab. SPÖCHEF Christian Kern wurde zwar am Eingang von der SJ und dem VSSTÖ mit einigen Transparenten begrüßt. „Christian, Vorsitzender welcher Partei bist du eigentlich?“, war etwa zu lesen. Während seiner Rede wurde Kern immer wieder bejubelt und beklatscht, ehe er zum Eu-gipfel nach Brüssel abrauschte.
Demonstrativer war da schon der Applaus für Häupl. Erst gegen Ende seiner mehr als einstündigen Rede ging Häupl auf Personalfragen ein. „Es wird dieser der Landesparteitag sein, bei dem ich zum letzten Mal als Vorsitzender der Partei kandidiere.“Nach der Nationalratswahl werde er aus der Politik scheiden. Wer ihm nachfolge, sollte auf dem nächsten Parteitag bestimmt werden. „Da mische ich mich dann nicht mehr ein.“Nach dem gestrigen Fiasko steht der morgige 1.-Mai-aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz unter einem denkbar schlechten Stern.