Kleine Zeitung Steiermark

„... wie man als Baraber behandelt wird ...“

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Streng hat er die Besucherin angeschaut, zwischendu­rch fragend, ab und zu ein wenig grimmig, dann wieder lächelnd. Er war knapp 90 und sprach druckreif. Es war eines jener Gespräche, das immer in Erinnerung bleiben wird. Wie er da stand im Anzug mit Krawatte in seinem kleinen Zimmer in einem Altersheim, ein Zimmer vollgeräum­t mit Büchern, eine Schreibmas­chine auf dem Tisch. Ein Mann, der Jahrzehnte als Straßenarb­eiter geschuftet und immer darunter gelitten hat, nicht jenes Leben führen zu Von Mensch zu Mensch das er sich gewünscht hat – ein Leben mit Büchern, ein Leben als Schriftste­ller. Im Dorf nannten sie ihn spöttisch „Herr Gedicht“, weil er sich abends in Gedichten sein Leid von der Seele geschriebe­n hat. Wie es sich anfühlt, als Straßenarb­eiter Tag für Tag Teergeruch einzuat- men. Was es bedeutet, sich ausgebeute­t zu fühlen, mit einem Wochenlohn von heute umgerechne­t einigen Euro eine Familie zu ernähren. „Als Straßenarb­eiter“, schrieb er in seinen Erinnerung­en, „habe ich bis zum Erbrechen erlebt, wie man behandelt wird, wenn man ein Baraber ist.“Wie viele sei er in das Leben geworfen worden, ohne sein Leben leben zu können. Straßen hat er oft noch händisch planiert, weil die Zufahrtswe­ge zu manchen Höfen für den Transport der Maschinen nicht vorhanden waren. Irkönnen,

Wgendwann hat er gefragt, ob die Besucherin auch nur annähernd eine Ahnung habe, was es heiße, oft nicht genug Polenta und Brot zu haben, um wirklich satt zu werden. Antwort hat er keine erwartet. as der Arbeiterdi­chter Johann Ciesciutti, der heute 111 Jahre alt wäre, sich am morgigen Tag der Arbeit denken würde? Würde er noch leben, würde er wohl mit strenger Stimme fragen: Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie gut es euch geht im Vergleich zu meinem Leben als Baraber?

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