Ein epochaler Wandel
Weniger „falscher Perfektionismus“, weniger „obrigkeitshörig“, weniger „wolfsburgerisch“– so rüstet Matthias Müller den gebeutelten Vw-konzern für den Wandel in der Branche.
Noch im Mai will die Eukommission einen Maßnahmenplan für strengere Abgaswerte ab 2021 präsentieren, auch in China wird es zu massiven Verschärfungen kommen. Die Autoindustrie steht aufgrund der zahlreichen neuen Entwicklungen vor einem „epochalen Wandel“, wie Matthias Müller, Vorstandschef der Volkswagen AG, am Wiener Motorensymposium betont. „In der Automobilwelt herrscht Disruption, keine Evolution“, so der Konzernlenker im imperialen Ambiente der Wiener Hofburg. Für ihn stehe fest, dass „die Zukunft elektrisch fährt“. Doch der Weg dorthin stellt die gesamte Branche vor immense Herausforderungen. „Das Rad müssen wir nicht neu erfinden, alles andere schon.“
Am Rande des Symposiums skizzierte er im Gespräch mit Medien, darunter die Kleine Zeitung, wie sich der – vom Diesel-skandal gebeutelte – Volkswagenkonzern darauf einstellt. „Auch im Jahr 2025 werden noch drei von vier Neuwagen mit Benzin oder Diesel angetrieben sein“, so Müller. Es gebe nach wie vor Effizienzpotenziale, diese gelte es zu heben (siehe Kasten rechts). Denn klar sei auch, dass die gesetzlichen Emissionsvorgaben zu erfüllen seien, „nicht nur in Brüssel, sondern auch in China sowie den USA, und die sind gleichermaßen anspruchsvoll“. In den kommenden fünf Jahren werde Volkswagen die Investitionen in alternative Antriebstechnologien auf neun Milliarden Euro verdreifachen, bis 2025 sollen, wie berichtet, 30 zusätzliche, rein batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt gebracht werden. Doch bis sich diese in der Breite durchsetzen „spielen als Brückentechnologie alle Formen teilelektrifizierter Antriebe eine wichtige Rolle“, so Müller.
sollen auch Partnerschaften werden. Über die Strategie „Together“will Müller Volkswagen öffnen. Gemeinsam mit „Tata Motors“will man ab 2019 preiswerte Fahrzeuge für den indischen Markt bauen. In China wird daran mit dem Jointventure-partner FAW gearbeitet, dort wird Volkswagen gemeinsam mit JAC zudem ab 2018 preisgünstige Elektroautos auf die Straße bringen. In einer Kooperation mit „Nvidia“wird ein Cockpit entwickelt, das auf künstlicher Intelligenz basiert. Insgesamt betont Müller aber: „Mitunter ist Digitalisierung zum Modewort geworden. Mir ist wichtig, dass wir nicht jedem Trend blind hinterherlaufen.“Als erstes Automobilunternehmen erprobe Volkswagen die Nutzung von Quantencomputern. „In einem Forschungsprojekt mit D-wave Systems haben wir auf Basis der Daten von 10.000 Taxis in Peking einen Algorithmus zur Optimierung des Verkehrsflusses entwickelt.“So können Fahrzeiten, Staus und Emissionen deutlich reduziert werden. Ist das auch als Antwort auf Digital-konzerne wie Apple oder Google zu verstehen, die ihrerseits ja immer wie- mit dem Bau eigener Autos kokettierten? Es gebe diesbezüglich zwar viele Spekulationen, „so richtig gesehen hat man aber noch nichts“, so Müller. „Würden Apple und Google die Autoindustrie als Partner verstehen, könnte man sicherlich kooperativer zusammenarbeiten. Aber beide Unternehmen lassen ja keinen Zweifel daran, dass sie uns lediglich als Gestalter einer Blechhülle verstehen. Wir haben ein anderes Selbstverständnis und werden uns mit den neuen Herausforderungen auseinandersetzen.“
ändert sich im Volkswagen-konzern indes einiges. „Teure und unsinnige Parallelentwicklungen gehören der Vergangenheit an.“Man müsse weg von einer hierarchisch, manchmal auch obrigkeitshörig angelegten Unternehmenskultur. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich versuche, diesen Riesenkonzern stärker zu dezentralisieren, um schneller zu werden.“Auch vom „falsch verstandenen Perfektionismus“werde Abschied genom- men, „ohne sich dabei von hohen Qualitätsansprüchen und kompromissloser Sicherheit abzuwenden“. Doch „die letzten zehn Prozent einer Lösung erfordern den größten Aufwand. Entscheidend ist aber: Was bringt‘s dem Kunden? Können wir im Sinne unserer Kunden nicht öfter mit 90 statt mit 100 Prozent leben?“
sei man bisweilen „zu wolfsburgerisch an die Dinge herangegangen“. Das sei etwa ein Grund gewesen, warum es am indischen Markt beim ersten Versuch nicht funktioniert habe. „Ganz einfach, weil das Auto nicht den indischen Bedürfnissen entsprach. Wir müssen also auch chinesischer, indischer, amerikanischer werden“, so Müller.
Stichwort Amerika. Während Volkswagen in den USA Milliarden aufwendet, um getäuschte Kunden zu entschädigen, schließt Müller Entschädigungen für europäische Kunden weiterhin aus, „sonst wäre der Konzern existenziell bedroht“. Er werde nichts tun, „das die gesetzlichen Rahmender