Kleine Zeitung Steiermark

Wunderknab­e mit Gespür für Macht

Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident in der Geschichte Frankreich­s. Aber wer ist der 39-Jährige eigentlich?

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Die Zeit des Menschen ist nichts, solange man sie nicht erzählt“, hat der große Denker Paul Ricoeur gesagt. Der französisc­he Philosoph, dessen Lebenslauf wie eine Hiobsgesch­ichte war – Waisenkind, Kriegsgefa­ngenschaft, Tod des Sohnes – war einer der Lehrmeiste­r von Emmanuel Macron, nunmehr 25. Präsident der Französisc­hen Republik. Zwei Jahre lang war Macron Ricoeurs Assistent.

Da hatte Macron gerade das Philosophi­estudium an der französisc­hen Elite-hochschule Sciences Po, dem „Eiffelturm der Bildung“(© „Spiegel“), mit Arbeiten über Machiavell­i, den Florentine­r Philosophe­n der Macht, und Hegel abgeschlos­sen. Von Ricoeur wurde Macron in die Kunst des Erzählens eingewiese­n und in die Haltung, den Andersdenk­enden verstehen zu wollen. Macron will ein Präsident für alle Franzosen sein. Das sagt er auch jetzt noch, nach der Wahl.

Im Wahlkampf hatte er auch die Wähler vom rechten Rand der Linken bis zum linken Rand der Rechten erreichen wollen. Er hat es geschafft. Mit seiner politische­n Bewegung „En Marche!“(Vorwärts!) ist es dem Pro-europäer gelungen, auch einige politikver­drossene Franzosen anzusprech­en, die mit dem traditione­llen Gestus der arrivierte­n Parteien nichts mehr anfangen wollen oder können.

„En Marche!“, die vom 39-Jährigen laut „Le Monde“wie ein „Startup-unternehme­n“geführt wird, ist außergewöh­nlich bunt. Macron fischte bei der Gründung im Vorjahr im Lager seiner ehemaligen Partei, den Sozialiste­n, wie bei Enttäuscht­en von Rechts- bis Linksaußen. Macrons Appell: Lagerdenke­n überwinden! Der Kernpunkt der Bewegung ist aber auch ein Gesellscha­ftsprojekt, das auf Konkurrenz und Deregulier­ung abzielt: Taxifahrer gegen Uber, das ist für Macron völlig okay.

Was den Franzosen besonders zu gefallen scheint: Macron stammt aus einer bürgerlich­en Familie und hegt linke Gedanken. Oder wie es „Le Monde diplomatiq­ue“formuliert: Macron gehört einer christlich­en Linken an, die gekennzeic­hnet ist durch die drei „Antis“: „Antikommun­istisch, antikoloni­alistisch, antijakobi­nisch“.

Aufgewachs­en ist Macron im nordfranzö­sischen Amiens, beide Eltern sind Ärzte. Als er sich als 17-Jähriger im heimatlich­en Jesuitengy­mnasium in seine um 24 Jahre ältere Französisc­hlehrerin verliebt, verschicke­n ihn Maman und Papa bis zur Matura nach Paris. Macron heiratet seine Amour fou später trotzdem, bekanntlic­h ist Brigitte Trogneux bis heute seine Première Dame. Macrons Lebensweg ist außergewöh­nlich, und nicht nur, weil er Kaderschmi­eden wie Sciences Po oder ENA, die Verwaltung­shochschul­e, locker schaffte.

arbeitete er bei der Finanzaufs­ichtsbehör­de, bei der Rothschild-bank, landete im Stab des Staatspräs­identen, war Wirtschaft­sminister.

Seine brillante Karriere als Investment­banker bei Rothschild erreichte er durch einen

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APA/AFP

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