Der Vizekanzler als Masseverwalter
Nicht mit der Abrissbirne, sondern mit „Würde und Anstand“will Wolfgang Brandstetter, der neue Vizekanzler, die gesprengte Koalition abwickeln – nach einem Motto von Elvis Presley.
sieht sich in der Rolle des Masseverwalters, des Abwicklers. „Sie haben einen Vizekanzler vor sich, der keine politischen Ambitionen hat. Meine Aufgabe ist es, dass die Dinge ordentlich abgewickelt werden und nicht alles im Chaos versinkt.“Der zum Vizekanzler aufgestiegene Justizminister ist kaum noch zu bremsen, als er die vier Projekte, auf die er sich mit dem Bundeskanzler bei einer Besprechung am Vormittag geeinigt hat (Aktion 20.000 für Arbeitslose ab 50; Erhöhung der Studienbeihilfe; Forschungsprämie; Festlegung des Wirtschaftsstandorts in der Verfassung unter dem Eindruck des Urteils über die dritte Flughafenpiste), in höchsten Tönen preist und dann noch eine lange Liste von Projekten herunterspult, die es in den nächsten Wochen abzuarbeiten gilt. Worauf sich unter den ob des überraschenden koalitionären Tatendrangs verdutzten Journalisten unweigerlich die Frage aufdrängt: Warum musste man auseinanderbrandstetter gehen, wenn jetzt eh wieder alles funktioniert? „Ich bin kein Tiefenpsychologe“, erklärt Brandstetter. „Es hat sich auf beiden Seiten großer Frust aufgestaut. Der Frust ist jetzt abgebaut worden, und deshalb geht jetzt wieder was weiter.“
über die vertanen Chancen der Koalition anzustimmen. „Wir haben viel umgesetzt, aber immer mit lautem Getöse, mit Hängen und Würgen. Die Koalition hat das Potenzial, das sie hatte, nie richtig ausgeschöpft.“Brandstetter enthüllt nebenbei, „sogar innerhalb der ÖVP war es in den letzten Monaten oft schwer, einen Konsens zu finden“. Um dem hinzuzufügen: „Ich verstehe, dass auch der Bundeskanzler darüber enttäuscht war, was in den letzten Monaten passiert ist. Die Chemie hat nicht gestimmt. Die Regierung ist in den letzten Monaten nicht mehr als Team aufgetreten.“
Brandstetter versteht sich seit der Angelobung als „Pendler zwischen Fronten“. Am Vormittag verhandelte er stundenlang mit dem Bundeskanzler über einen Fahrplan, um die einzelnen Punkte abzuarbeiten. Er wolle die gescheiterte Koalition mit „Würde und Anstand“zu Ende bringen. Aufhorchen lässt Brandstetter, weil er – im Unterschied zu früher – ein neuerliches Antreten bei der Nationalratswahl nicht mehr ausschließt – als Parteifreier auf der Liste Kurz.