Palme ist nicht in Sicht
Die Reaktionen auf Michael Hanekes siebenten Cannesstart zeigen die doch erhebliche Enttäuschung über das 13 Millionen teure „Happy End“.
Die Palmen wedeln Richtung Russland oder bleiben in Frankreich: Denn dem tieftraurigen Drama um ein verschwundenes Kind von Andrey Zvyagintsev („Na lyubov“) und Robin Campillos bewegendem, in den 80ern spielendem Aids-melodram „BMP (Beats per Minute)“, zugleich eine Abrechnung mit der Pharma-industrie, werden derzeit die besten Chancen auf eine Auszeichnung gegeben. Das Fachmagazin „Screen“errechnet stets einen Punktedurchschnitt der Wettbewerbsfilme anhand eines Dutzends Fachkritiken. Da hält Michael Haneke mit seinem Gleichnis für unsere autistische Gesellschaft („Happy End“) bei 2,2 Punkten. Eine Höchstwertung hieße vier Punkte. Zum Vergleich: „BMP“steht bei 2,5, „Wonderstruck“des Amerikaners Todd Haynes bei 2,7, „Loveless“bei 3,2.
Die renommierte Tageszeitung „Le Figaro“vergibt an Hanekes siebenten Wettbewerbsbeitrag gar eine Null und wirft dem Österreicher vor, sich zu wiederholen und nichts mehr riskiert zu haben. „Der Film badet in seinem Pessimismus“, heißt es über die Zeichnung des Untergangs des Bürgertums. Die größte Tageszeitung „Aujourd’hui“findet das Werk „lächerlich“und resümiert: „Es wäre ein Skandal, würde dieser Film die Palme bekommen!“
Die Franzosen sind allerdings am strengsten mit dem Werk, das man sowohl als Drama als auch als Satire verstehen kann. Die Bandbreite der ausländischen Presse reicht von einer „Raffinesse, wie eisgekühlte Gefühle gezeigt werden“, über „prätentiöse Langsamkeit“und „unbedeutend“bis zur „Entgleisung“. Der Kritiker der Us-„vanity Fair“gesteht: „Es wird mir einfach nicht klar, worum es Haneke bei all seinen Allegorien diesmal geht.“
Gekostet hat „Happy End“13,4 Millionen Euro, neun davon kommen aus Frankreich. Nicht wenig im Vergleich zu anderen Wettbewerblern: François Ozons heimtückischer Thriller „L’amant double“(läuft erst am Freitag) hatte etwa ein Gesamtbudget von sieben Millionen.