Die große Injektion
EBnde April ereignet sich am Wörthersee ein einzigartiges Naturschauspiel: Bis zu 50.000 Mairenken schwimmen den Reifnitzbach gegen den Strom hinauf, um abzulaichen. Das ist insofern erstaunlich, als das Gegen-den-strom-schwimmen sonst in Reifnitz nicht sehr verbreitet ist. Unweit des Sees steht ein Denkmal, ein steinerner, 25 Tonnen schwerer Kultwagen, der bei näherer Betrachtung als Golf GTI erkennbar ist. Reifnitz ist zur Kultstätte geworden: Jährlich zu Christi Himmelfahrt fahren bis zu 200.000 Anhänger einer urtümlichen Gti-religion in ihren persönlichen Himmel, um diesen Kultwagen anzubeten. Sie schwimmen sozusagen mit dem Strom, um hier abzulaichen.
Mittlerweile treffen die ersten Fans schon einen Monat vor dem eigentlichen Event ein und sorgen für das, was GTI bedeutet: Grand Tourisme Injection – frei übersetzt eine große Injektion in den Tourismus. Die Auto-junkies sorgen für Megastaus rund um den Wörthersee, geben „Gummigummi“, bis es raucht und die Pneus in Fetzen von den Felgen fliegen, sitzen dicht an dicht auf mitgebrachten Campingstühlen am Straßenrand und erfreuen sich primär an ihresgleichen. So einfach und so schön kann Urlaub sein. ei manchen sorgt diese Tourismus-injektion allerdings für eine Fehlzündung: Eierschädel, Nestbeschmutzer und Berufsquerulanten reden von Ballermann und von Orgien der Unintelligenz, mokieren sich über Lärm, Schmutz und Exzesse. Wahrscheinlich sind sie neidig, verstehen keinen Spaß oder sind einfach zu blöd, um auch irgendwie zu profitieren.
Ich gebe zu, dass ich früher, als ich die tieferen Zusammenhänge der Wertschöpfung noch nicht verstand, ein Gegner des Gti-treffens war. Aber meine langjährige Einwohnerschaft in Seenähe und die schlagenden Argumente der Profiteure zwingen mich förmlich dazu, dieses Event zu mögen. Dass unsere Kinder schon, bevor sie sauber werden, „Gummigummi“sagen können: Ich begrüße das! So was kann man immer brauchen.