Kleine Zeitung Steiermark

Auf der Suche nach der Mitte

Die Politik buhlt um Mittelstan­d und Mittelschi­cht, bleibt in ihrer Idee davon aber vage. Die Mitte, wer ist das eigentlich?

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Wer in (Vor-)wahlkampfz­eiten den politische­n Kampfbegri­ffen „Mittelstan­d“und „Mittelschi­cht“entkommen möchte, muss sich gut verstecken können. Schon der einstige Kanzler Julius Raab (ÖVP) umwarb vor mehr als 60 Jahren den Mittelstan­d, später zogen dann auch Jörg Haider, etliche Spö-politiker und andere Wahlwerber nach – auch der eher unglücklic­he ÖVP-CHEF Wilhelm Molterer plakatiert­e im Wahlkampf 2008, dass „Familien und Mittelstan­d“entlastet gehörten.

Nun ist sie erneut ausgebroch­en, die parteipoli­tische Rangelei um „die Mitte“: Die SPÖ fährt seit Wochen eine „Kampagne für die Mittelschi­cht“, die vor allem durch die Pizzaboten­dienste des Kanzlers für Aufsehen sorgte. Man wolle in der Kampagne auf die Abstiegsän­gste der Mitte eingehen, so die Spö-erklärung. Die ÖVP konterte mit einem heftig umstritten­en Pamphlet, außer ihr sei niemand für den Mittelstan­d da – diese Sprachrege­lung zählt nun zu den wenigen Dingen, die der designiert­e ÖVP-CHEF Sebastian Kurz von seinem Vorgänger Reinhold Mitterlehn­er übernommen hat.

Doch wen SPÖ und ÖVP damit meinen, bleibt offen: Laut Angaben aus der Spö-zentrale sind Vertreter der Mittelschi­cht „auf jeden Fall nicht die, die von Dividenden und Zinsen leben“. Eine genauere Definition der Mittelschi­cht habe man in der Kampagne „bewusst umschifft“, heißt es aus dem Umfeld von Spö-bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler. Ansprechen wolle man etwa „jene Frauen und Männer, die in der Früh aufstehen und arbeiten gehen, um mit ihrer Leistung die Wirtschaft unseres Landes zu tragen“. Kanzler Christian Kern erklärte unlängst, dass damit im Grunde „95 Prozent der Österreich­er“gemeint seien.

viel konkreter. Ein Sprecher der Volksparte­i schildert, dass „wir mit unserer Definition von Mittelstan­d all jene meinen, die Steuern zahlen“. Sollten damit Lohnund Einkommens­steuern gemeint sein, sind das ebenfalls ziemlich viele Menschen – nämlich rund vier Millionen inklusive etwa zwei Millionen Pensionist­en.

Die eigentlich­e Definition des Mittelstan­des meint Kleinund Mittelbetr­iebe – die in Österreich 99 Prozent der Unternehme­n ausmachen und knapp zwei Millionen Menschen beschäftig­en. Doch auch das scheinen die Regierungs­parteien mit ihren letztendli­ch fast deckungsgl­eichen (nebulösen) Vorstellun­gen der Mitte nicht zu meinen. Kurzum: Wer herausfind­en möchte, wer oder was die Mitte ist, bekommt von SPÖ und ÖVP kaum Hilfe.

Eher verschafft da schon die Wirtschaft­swissensch­aft Ori- Eine einheitlic­he Definition der Mitte existiert laut Christine Mayrhuber vom Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) zwar nicht, einige Modelle dafür findet man dennoch: Zur Mitte gehört laut einem Modell, mit dem Statistik Austria bereits gearbeitet hat, wer zwischen 60 und 180 Prozent des Median-einkommens verdient. Median bedeutet, dass die Hälfte mehr, die Hälfte weniger hat. In Österreich beträgt dieser pro Jahr 24.000 Euro – zur Mitte gehört also jeder mit einem Pro-kopf-monatsverd­ienst zwischen rund 1200 und 3600 Euro. „Sehr viele Menschen“seien das, erklärt Mayrhuber – im Grunde laufen laut ihr die meisten Abgrenzung­en der Mittelschi­cht darauf hinaus, dass damit „rund 80 Prozent“der Gesamtbevö­lkerung gemeint seien. Somit handle es sich um einen „extrem breiten Begriff“, der für die Wirtschaft­swissensch­aft deshalb nicht wirklich tauglich sei.

die von Parteien des ganzen politische­n Spektrums immer wieder im Zusammenha­ng mit der Mittelschi­cht genannt werden? Die lassen sich durch Zahlen und Fakten kaum belegen: So wurde laut einer Auswertung der Einkommens­statistik durch Statistik Austria die Gruppe der Mittelschi­cht in den vergangene­n Jahren nicht kleiner, sondern größer. Der Anteil der Mitte am gesamten Nettoverdi­enst blieb ebenfalls konstant, das durchentie­rung:

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