Genossenschaften sollen Landflucht stoppen
Steirer ziehen in Großraum Graz, Ortskerne verlieren Wirte, Shops, Schulen. Raiffeisen will jetzt mit Gemeinden aktiv werden.
Die Landflucht ist ein brennendes Thema, das auch die – inzwischen geplatzte rot-schwarze Bundesregierung – auf ihrer Agenda hatte (siehe rechts). Die Obersteiermark blutet besonders stark aus. Die Bezirke Murau, Murtal, Leoben und Bruck-mürzzuschlag haben seit 1991 Einwohner im zweistelligen Prozentpunktbereich verloren (siehe Grafik). Die Prognosen der Landesstatistik lassen Alarmglocken schrillen: Murau soll bis 2050 fast jeden vierten Einwohner verlieren, die anderen drei oben genannten jeweils mehr als 15 Prozent. Graz und Umgebung werden auf rund 530.000 Einwohner explodiert sein.
für die Folgen der Flucht gilt in der Steiermark Vordernberg. 1890 zählte die Gemeinde beim Erzberg 3118 Einwohner, 1991 waren es 1832, heute kämpft Bürgermeister Walter Hubner trotz Ansiedlung des Schubhaftzentrums gegen das Abrutschen unter die 1000-Seelen-grenze. Lebensmittelhändler, Bank und Volksschule sind längst zugesperrt. Für Geldgeschäfte kommt einmal die Woche der Bankbus, das Geschäft hält nun die Gemeinde mittels Vereins am Laufen und schießt dafür jährlich 14.000 Euro zu.
Nebst der Landespolitik, die Regionen stärken will, startet nun der Raiffeisenverband eine Initiative gegen die Landflucht, die man aus Vorarlberg importiert. Dort berät das Institut für Standort-, Regional und Kommunalentwicklung (ISK) seit Jahren Gemeinden mit Masterplänen zur Entwicklung. ISKCHEF Gerald Mathis weiß: „Die Politik kümmert sich oft um Wanderwege und Almhütten. Will man Leute dort halten, geht es aber nur um Arbeitsplätze in der Region.“
in Vorarlberg sei Erfolgsbeispiel: 2008 hatte sie 1700 Einwohner, heute sind es 2000. Mathis: „Unser Entwicklungskonzept setzte auf günstige Mietwohnungen und Gebiete für kleines Handwerk und Betriebe.“Dann hat sich eine Entwicklungsgenossenschaft mit Gemeinde und Bank an Bord an die Grundstückssicherung und Projektentwicklung gemacht. Unter anderem entstand so im Ortszentrum eine Immobilie mit Dienstleistern, Mietwohnungen und einer Arztpraxis. Heinrich Herunter will diese Genossenschaftsidee im Steirerland befeuern: „Wir haben mit ISK und Raiffeisenlandesbank die Firma ISK-SÜD gegründet, die solche Projekte in ländlichen Gemeinden vorantreiben soll.“Projekte müssten aus der Region kommen und von dort getragen werden. Auch für den Breitbandausbau biete sich so eine Genossenschaft an. Die ersten Gemeinden scharen schon in den Startlöchern.