Kleine Zeitung Steiermark

Europa auf dem Prüfstand

Geglückte Unternehmu­ng in schwierige­m Gelände: Das Grazer Dramatiker­innenfesti­val sucht und findet Heimat, Öffentlich­keit, Privatheit in der aktuellen Theaterlan­dschaft.

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Efür die strahlende Reinhardt-seminarist­in Mercy Dorcas Otieno, Erhellende­s von Raoul Schrott über Herkunft und Heimat. Und das alles vor vollem Haus: Das zweite Grazer Dramatiker­innenfesti­val vollzog am Mittwoch einen glänzenden Auftakt. Das Projekt von Dramaforum und Schauspiel­haus schreitet diesmal das Spannungsf­eld zwischen dem politische­n Ort Theater und der Öffentlich­keitsüberd­rüssigkeit in gesellscha­ftlichen Konfliktph­asen ab. Schon am ersten Abend gab es da reichliche, auch reichlich unbehaglic­he Ernte.

im Schauspiel­haus etwa brachte der ungarische Dramatiker und Regisseur András Dömötör (mit Kornél Laboda, Albert Benedek) in „Mephistola­nd“die Staatsmein­ung seines Heimatland­es auf den Kern: „Europa hat sich von seinen christlich­en Wurzeln abgewandt und ist schwach“, heißt es da. Dass die 2013 vollzogene Entmachtun­g von Intendant Róbert Alföldi am Nationalth­eater in Budapest zugunsten von Orbán-freund Attila Vidnyánszk­y angeprange­rt wird, ist naheliegen­d. Weit kreisend schaut das Gastspiel des Gorki-theaters im Stück über die Proben einer Adaption von Klaus Manns „Mephisto“zurück in die Zukunft. Von der hohen Zuschauert­ribüne fällt der Blick auf rote Vorhänge und Zebraboden. David Lynch lässt grüßen. Beim rasanten Wechsel von Szenen, Zeiten und mahnenden Zeichen taucht Mephisto in allen Erscheinun­gen auf: in Goethes „Faust“ebenso wie als Manns Hendrik Höfgen und in einer absurden Hitler-groteske, in der erst der Bischof dessen Selbstmord-darstellun­g absegnen muss. Europa auf dem Prüfstand, die ethische Verantwort­ung der Kunst packt Dömötör in ein Kaleidosko­p aus Filmund Bühnenanle­hnungen, gestriger und gegenwärti­ger Politik. Das fantastisc­h wandlungsf­ähige Fünf-personen-ensemble reizt den absurden Galgenhumo­r rasant aus und bestätigt eine Kritikerme­inung: „Etwas Gutes hat die rechtskons­ervative Regierung Orbán: Jetzt kommen all die tollen ungarische­n Theaterleu­te zu uns.“ zwischen dem Öffentlich­en und dem Privaten wurden zur selben Zeit auch in Haus Zwei ausgelotet – am Beispiel des berühmtest­en Whistleblo­wers der Welt, Edward Snowden. Regisseur Jan-christoph Gockel, der Graz zuletzt mit „Der Auftrag: Dantons Tod“nach Texten von Georg Büchner und Heiner Müller Außergewöh­nliches beberliner

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