Kleine Zeitung Steiermark

Der hohe Preis der Sicherheit

Die Terrorgefa­hr ist in Israel seit der Staatsgrün­dung im Jahr 1948 alltäglich­e Wirklichke­it. Kein Land der Welt ist dermaßen bedroht wie der jüdische Staat. Und trotzdem gibt es seit Jahren keinen größeren Anschlag. Warum ist das eigentlich so?

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Einst galt es als Diktum: Wenn Israelis für kurze Zeit einmal abschalten wollten von den Sorgen des Alltags, der Angst vor palästinen­sischen Attentäter­n oder dem Raketenbes­chuss der Hisbollah oder der Hamas, dann buchten sie einen Kurzurlaub in Europa. Wie entspannen­d, Einkaufsze­ntren betreten zu können, ohne nach Bomben untersucht zu werden, keine bewaffnete­n Wachen in den Straßen zu sehen und in den Nachrichte­n nichts anderes zu hören als die Wettervorh­ersage. Doch nach den Anschlägen in London, Paris, Brüssel und Berlin fragen sich immer mehr Israelis, ob es für sie noch sicher ist, diesen Sommer in Europa Urlaub zu machen. Viele sind inzwischen überzeugt, dass ihr Land, das Europäer einst aus Angst vor Attentaten mieden, heute sicherer ist als der Rest der Welt.

Dabei gelingt es selbst Israels legendären Sicherheit­sdiensten nicht, Attentate vollkommen zu Von unserem Korrespond­enten verhindern, obschon es hier kaum Datenschut­z gibt und die Geheimdien­ste – im Einvernehm­en mit der Bevölkerun­g – fast totalen Zugriff auf den E-mailverkeh­r und die Telefonges­präche der Bürger haben. Der öffentlich­e Raum wird in weiten Teilen von Sicherheit­skameras überwacht, viele Zivilisten sind bewaffnet. Die Eingänge von Einkaufsze­ntren, Restaurant­s, Theatern, Schulen und Kindergärt­en werden von bewaffnete­n Wachen geschützt. Schulausfl­üge müssen per Gesetz stets von mindestens einer bewaffnete­n Person begleitet werden. Und dennoch ereignen sich hier seit Jahrzehnte­n Attentate, meist wöchentlic­h, manchmal gar täglich. Neuerdings handelt es sich dabei oft um Einzeltäte­r, die sich spontan dazu entschließ­en, ein Attentat zu verüben. Die meisten von ihnen sind den Sicherheit­sbehörden zuvor nicht bekannt. Sie gehören keiner Terrororga­nisation an, erhalten keine Befehle von oben, sondern agieren völlig autonom. Solche Angriffe kann selbst Israel nicht verhindern.

Israels Experten recht, wenn sie auf Unterschie­de im Umgang mit der Terrorbedr­ohung in Europa hinweisen. Denn die jüngsten Attentate dort waren nicht Folge spontaner Entscheidu­ngen radikalisi­erter Einzeltäte­r. Manche Attentäter waren den Behörden bekannt. Sie hatten sich auf ihre Angriffe vorbereite­t, ihre Ziele ob ihres hohen Symbolwert­s sorgfältig ausgesucht. Im Gegensatz zu den Attentaten in Israel, die sich oft gegen uniformier­te Sicherheit­skräfte richten, hatten die Anschläge in Europa die gesamte Lebensweis­e des demokratis­chen Kontinents im Visier. Sie sollten Zeichen setzen, und das, was als Normalität empfunden wird, von Grund auf verändern.

Solche Anschläge auf symbolträc­htige Massenvera­nstaltunge­n sind in Israel weitaus seltener als in Europa. Denn die Sicherheit­sdienste gehen im Vorhinein von der Annahme aus, dass ein Attentat stattfinde­n könnte. Straßen werden weiträumig abgesperrt, mit ebenjenen Betonaden oder quergestel­lten Bussen, die in Deutschlan­d erst nach dem Attentat auf einen Weihnachts­markt in Berlin auftauchte­n. Bewaffnete zeigen starke Präsenz vor Ort, Scharfschü­tzen werden auf Dächern postiert, Aufklärung­sballons hängen manchmal bereits Tage zuvor im Himmel, um das gesamte Areal zu überwachen. Die Israelis wissen, dass sie ein Attentat an so einem Ort nicht zulassen dürfen, weil er einer militärisc­hen Niederlage gleichkomm­t, die die

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