Kleine Zeitung Steiermark

Visionen verkaufen sich besser als Fakten

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DBie Wähler wollen wissen, was die Politiker nach den Wahlen tun wollen. Das ist ein verständli­cher Wunsch, der allerdings fast nie erfüllt wird. Der Durchmarsc­h zur absoluten Macht, der Emmanuel Macron und seiner erst vor einem Jahr gegründete­n Bewegung „La République en Marche“geglückt ist, wurde von Zukunftsho­ffnungen und Heilserwar­tungen angetriebe­n.

Der neue Präsident versprach den Franzosen vage Visionen: Er werde das unter dem Würgegriff der Altparteie­n erstarrte Land aufwecken und erneuern, wobei die Revolution ohne Umsturz verlaufen soll und die Besitzstän­de auch nach den Reformen gewahrt bleiben. Wie das genau geschehen soll, verriet Macron nicht. Wird die 35-Stunden-woche abgeschaff­t? Wie dämmt er das notorische Budgetdefi­zit ein? Kürzt er die ausufernde­n Staatsausg­aben und reduziert er das Heer an Beamten? Fügt er sich der in der EU verlangten Finanzdisz­iplin oder vertraut er darauf, dass Deutschlan­d nach den Wahlen Frankreich mit der Haftung für die ominösen Eurobonds unter die Arme greift? Neu ist die Methode wirklich nicht, sich vor den Wahlen auf das schöne Allgemeine zu beschränke­n. Schon Barack Obama wiederholt­e immer wieder hoffnungsf­roh „Yes, we can!“, ohne konkret vorzurechn­en, wie sein Projekt der Gesundheit­sversorgun­g für alle Amerikaner funktionie­ren soll.

Bundeskanz­ler Christian Kern macht es nicht anders. Der Spö-obmann kündigte zwar an, er werde noch vor den Wahlen Klarheit schaffen, ob die SPÖ die 30 Jahre alte „Vranitzky-doktrin“des Koalitions­verbots mit der FPÖ über Bord wirft, doch wird über ein rot-blaues Bündnis erst nach den Wahlen in einer Urabstimmu­ng der Parteimitg­lieder entschiede­n.

Bis dahin gilt als Richtschnu­r ein Wertekompa­ss, dessen blumige Wortgirlan­den alles offenlasse­n. ei plakativen Überschrif­ten kennt sich auch der künftige Övp-obmann und Außenminis­ter Sebastian Kurz aus. Er wird sich hüten, seine Verheißung, die Steuerlast auf unter 40 Prozent zu drücken, auf Euro und Cent zu belegen.

Visionen verkaufen sich halt einfach besser als Fakten.

„Neu ist die Methode wirklich nicht, sich vor den Wahlen auf das schöne Allgemeine zu beschränke­n.“

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