Wenn Gerüchte Wahlen entscheiden
Experten warnen die Chefs der Parteien: Auch in Österreich könnten in der Hochphase des Wahlkampfs aus dem Ausland gesteuerte Schmuddelkampagnen gestartet werden.
Wenige Stunden vor der alles entscheidenden Elefantenrunde im französischen Fernsehen sind sie auf der bekannten Online-plattform 4chan, auf der vorwiegend anonym gepostet wird, aufgetaucht: zwei, wie sich später herausstellen sollte, gefälschte Dokumente, die beweisen sollen, dass Emmanuel Macron ein Offshorekonto auf den Bahamas unterhält. Die Unterlagen sahen täuschend echt aus. Als Vorlage diente eine manipulierte Kopie eines ein Jahr zuvor im Zuge der Panamapapers-enthüllungen veröffentlichten Schriftstücks. Die Panama Papers gaben Einblick in 300.000 Briefkastenfirmen und kosteten zahllosen Politikern das Amt. Wer hinter der ungeheuren die Macron als millionenschweren Steuerflüchtling diskreditieren sollte, genau steckte, ist bis heute nicht gänzlich klar. Innerhalb kürzester Zeit verbreiteten sich die höchst professionellen Fälschungen in rechtsextremen Foren. Front-national-chefin Marine Le Pen sprach das Gerücht im Fernsehen vor einem Millionenpublikum süffisant an, Macrons Wahlkampfteam hatte alle Hände voll zu tun, um zu dementieren.
Knapp vier Monate vor der Nationalratswahl warnen einschlägige Experten Christian Kern, Sebastian Kurz, Heinz-christian Strache und die anderen Spitzenkandidaten eindringlich davor, dass ihnen Ähnliches widerfahren könnte – dass etwa gefälschte Unterlagen auftauchen könnten, wonach der eine oder andere sein Geld in Liechtenstein oder Malta geparkt hat, oder verschwommene, Photoshop-bearbeitete Bilder, die beweisen sollen, dass man in zwielichtigen Lokalen oder Kreisen verkehrt, oder gehackte Mailaccounts der Parteigeschäftsführer, in denen andere Politiker diffamiert oder eigene Schwächen angesprochen werden, oder Gerüchte über sexuelle Vorlieben.
Letzteres ist Macron im Februar passiert, ihm wurde unterstellt, er führe ein Doppelleben und sei eigentlich schwul. Die Hamburger „Die Zeit“machte sich die Mühe und ging der Sache nach. Ausgangspunkt der Schmuddelkampagne war das Interview eines rechtsextremen französischen Abgeordneten mit der zweifelhaften russischen Nachrichtenagentur Sputnik. Der Beitrag verbreitete sich in Windeseile, als Katalysator dienten Blogs, Facebookseiten und Twitter-accounts rechtspopulistischer Bewegungen.
Hillary Clinton wurde hingegen nicht Opfer von Fälschungen und Unterstellungen, sondern eines nicht minder dreisten Unterfangens: Der Trump-gegenspielerin wurden gehackte E-mails ihres Wahlkampfleiters John Podesta zum Verhängnis. Die wenig schmeichelhaften Interna tauchten – wie bei Macron – in den letzten Wochen vor dem Wahltag auf, Clintons Kampagne kam mit den Dementis nicht mehr nach.
Die USA und Frankreich sind keine Einzelfälle, auch in der Ukraine (schädliche Software auf dem Computer der Wahlkommission), Montenegro oder Litauen (Gerüchte über Vergewaltischmuddelkampagne,