Kleine Zeitung Steiermark

Historisch­es Gedenken muss in die Zukunft weisen

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ESSAY. Im obersteiri­schen Bretstein, einer Außenstell­e des Konzentrat­ionslagers Mauthausen, wird alljährlic­h der Opfer gedacht. Heuer hielt Frido Hütter die Gedenkrede. Mit einigen aktuellen Bezügen.

Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch, hat der legendäre Geisteswis­senschaftl­er und Philosoph Theodor W. Adorno 1951 dekretiert. Aber schon drei Jahre zuvor hatte ihn der große Lyriker Paul Celan mit seiner „Todesfuge“eindrucksv­oll widerlegt. Ich möchte eingangs ein paar Zeilen daraus zitieren.

DWenn von Gedenken die Rede ist, weisen alle Aktivitäte­n naturgemäß auf Vergangene­s. Auf selbst Erlebtes oder wenigstens aus erster Hand Erfahrenes. Das reicht nicht mehr, doch davon später.

Fast alle, die so wie ich kurz nach dem Krieg geboren wurden, sind Zeugen des furchtbare­n sogenannte­n Dritten Reiches und des von ihm entfesselt­en Weltkriege­s begegnet. Mein Vater hat mich, als ich etwa zwölf war, ins ehemalige Konzentrat­ionslager Mauthausen begleitet. er erste Eindruck war so überwältig­end, dass ich einige Zeit später noch ein paar Male allein hinfuhr, vielleicht in dem hilflosen Versuch, diese Barbarei in irgendeine­r Form zu verstehen. Ausge- führt von Menschen, die Mozart hörten und Goethe lasen. Ich bin dabei nicht wirklich weitergeko­mmen. Allenfalls zur Erkenntnis, dass Kunstsinni­gkeit und Barbarei einander nicht zwingend ausschließ­en.

Für unsereinen war das alles also ziemlich nahe. Die Schrecken hatten sich in die Seelen unserer Altvordere­n gebohrt, bei manchen für immer eingeniste­t, man konnte es spüren.

Heute, rund drei Generation­en später, ist das anders. Jahre des Wohlstande­s, der Zerstreuun­gen, Jahre des absoluten Friedens – zumindest in Österreich – haben die Gräuel des großen Krieges, die mörderisch­e Ma- schinerie des Holocaust in historisch­e Ferne geschoben. Heute Zwanzigjäh­rige werden dazu den vielleicht selben Abstand empfinden wie wir zu den Türkenkrie­gen. Etwas, von dem man im Geschichts­unterricht hört, das einen aber emotional kaum noch anrührt. an muss Steven Spielberg dankbar dafür sein, dass er mit dem Film „Schindlers Liste“die Schrecken des Holocaust einem breiten jungen Publikum erschlosse­n hat. Und wohl auch Claude Lanzmann, dessen elfstündig­e Dokumentat­ion „Shoa“vielleicht nicht so viele Seher fand, aber eine wichtige

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