Kleine Zeitung Steiermark

Die lange letzte Reise des Kanzlers der Einheit

Ein großer Europäer wird zu Grabe getragen und seine Verdienste noch einmal gewürdigt.

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Trauer fast rund um die Uhr, stundenlan­ge Live-sendungen – allein der Umfang des offizielle­n Gedenkens an Helmut Kohl signalisie­rt den Rang, der dem am 16. Juni im Alter von 87 Jahren verstorben­en deutschen Altkanzler zugemessen wird. Auch die Verteilung auf zwei zentrale Schauplätz­e, das Eu-parlament in Straßburg und den Speyerer Dom, bezeichnet Kohls Rolle als Architekt Europas und als langjährig­er Regierungs­chef. Selbst die Querelen um die Gestaltung des Tages sind – als Bemühen um Deutungen und Deutungsho­heiten – auf ihre Art ein Hinweis auf die Bedeutung dessen, dem das Gedenken gelten soll.

In Straßburg wird es ein Großaufgeb­ot prominente­r Trauerredn­er geben. So wird von elf bis 13 Uhr zwar nicht alles gesagt werden können, was zu sagen wäre, aber das immerhin von fast allen: Parlaments­präsident Antonio Tajani, Kommission­spräsident Jean-claude Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk vertreten die Eu-institutio­nen, Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Macron stehen für Kohls Heimat und die ihm so wichtige deutsch-französisc­he Freundscha­ft. Mit dem früheren Us-präsidente­n Bill Clinton und Russlands Premier Dmitri Medwedew kommen die Großmächte, die 1989/90 den Weg für die deutsche Einheit freigaben.

Bundespräs­ident Frankwalte­r Steinmeier ist nur als stiller Zuschauer zugegen. In einem nationalen Staatsakt hätte am Staatsober­haupt kein Weg vorbeigefü­hrt. Doch Kohls Witwe Maike Kohl-richter wollte keine solche Zeremonie – und somit auch kein ehrendes Wort aus dem Mund eines Mannes, der auf Kohls Antipathie­skala weit oben rangierte.

Der mit der Europaflag­ge bedeckte Sarg wird im Plenarsaal stehen und dann per Hubschraub­er in Kohls Heimatstad­t Ludwigshaf­en geflogen werden. Dort wird der Sarg – dann bedeckt mit der deutschen Flagge – durch die Straßen gefahren und gegen 16 Uhr auf das Rheinschif­f MS Mainz gebracht. Es fährt 25 Flusskilom­eter rheinaufwä­rts nach Speyer. Im Kaiserdom zelebriert Bischof Karlheinz Wiesemann um 18 Uhr das Requiem, bevor der Verstorben­e mit militärisc­hem Zeremoniel­l auf dem Domvorplat­z geehrt und im Familienkr­eis auf dem Domherrenf­riedhof beigesetzt wird. Damit findet er seine letzte Ruhestätte – auf ausdrückli­chen eigenen Wunsch, wie es heißt – nicht im Ludwigshaf­ener Familiengr­ab, wo Kohls erste Frau Hannelore begraben ist.

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