Ermöglicher ohne Eifersucht
Einen neuen Burgtheater-direktor vorzustellen, ist natürlich ein Staatsakt. Warum es mit dem Kärntner Auswanderer Martin Kusˇej diesmal den Richtigen getroffen hat.
PORTRÄT. sembles einer willfährigen Direktion das eine oder andere Stück in den Spielplan diktieren, wenn sie gerade Lust auf eine bestimmte Rolle haben. Schwer vorzustellen, dass so etwas mit Kuˇsej gelingt. Er ist ein klassisches Alphatier, durchsetzungsstark, in Proben soll er einen durchaus robusten und wenn’s sein muss, autoritären Umgangston pflegen.
Die „Süddeutsche Zeitung“hat ihn jedenfalls gleich einmal zum „Bezwinger der wichtigsten Burg Österreichs“ausgerufen. Dabei tritt er erst in gut zwei Jahren an. Eine Grundvorstellung für das Burgtheater hat er allerdings schon skizziert: „Es ist an der Zeit, etwas zu machen, was ähnlich radikal ist, wie es die Berliner Volksbühne vor 25 Jahren oder wie es die Peymann-zeit für Wien war. Ich will Vollgas geben.“
Dabei weiß Kuˇsej natürlich, dass sich die Aufregungen vergangener Jahrzehnte nicht wiederholen lassen. Und auch, wie langweilig das wäre. Ihm geht es um Aufbruchstimmung und letztlich um seine Idee eines aufregenden analogen Theaters, „in dem die Leute für wahnsinnig viel Geld Karten kaufen, um Menschen auf der Bühne schwitzen zu sehen“.
soll das international funktionieren, „die Leute sollen nach Wien reisen, um ins Theater zu gehen“, wie sie nach London reisen, um ins Theater gehen. Auf die Frage, ob er es nach dem sittsamen Konsolidierungsbetrieb der letzten Jahre an der Burg vielleicht an der Zeit sieht, das Haus auch wieder einmal beherzt leer zu spielen, scherzt er: „Ich bin nicht so schlecht wie mein Ruf.“Freilich könne man die Burg künstlerisch auch als „an einem Stagnationspunkt“erleben, freilich brauche das Haus Neuausrichtung und Leidenschaft: „Ich nehme an, dafür hat man mich geholt.“Mit dieser Annahme ist er jedenfalls nicht allein: „Der Mann hat Feuer“, mit diesen Worten kommentierte die Autorin Elfriede Jelinek seine Bestellung, „und ein paar Feuerchen wird er schon anzünden.“
Er stehe als Künstler und Intendant jedenfalls „für Veränderung, Irritation und Aufregung“, kündigt Kuˇsej an. Dass er dem Burgtheater politisch Kanten verpassen und eine gesellschaftliche Öffnung verordnen will, sollte das Land im 21. Jahrhundert aushalten. Dass er „mit einem ganz neuen und jungen Team“arbeiten will, „das ein neues und spannendes Kapitel in der Geschichte des Hauses schreiben könnte“, klingt fast nach mehr Irritation, weil nach Strukturumbau. Ähnliches hatte er in München noch vor: Gemeinsam mit dem Chef der Bayerischen Staatsoper Nikolaus Bachler (einem seiner Förderer und Vorgänger als Burgherr) wollte er den zu seinem Residenztheater gehörenden als experimentelle Doppelbühne für Sprech- und Musiktheater installieren.
verfügt der Theatermacher über vier Bühnen (Burgund Akademietheater, Kasino am Schwarzenbergplatz, Vestibül) und eine Basisfinanzierung von knapp 49 Millionen Euro. Damit werden gegenwärtig insgesamt rund 850 Vorstellungen für rund 400.000 Besucher pro Saison bestritten. Aktuell liegt die Auslastung bei etwas mehr als 76 Prozent (in der Spielzeit 2015/16, für die am Freitag beendete Burg-saison liegen noch keine Zahlen vor). Klingt bewältigbar. Aber Kuˇsej ist darauf vorbereitet, „dass das erste Jahr einer Intendanz immer schwierig ist, dass es ungefähr drei Jahre braucht, bis das Schiff wieder durchs Fahrwasser gleitet“. So kommentierte er, aus der Erfahrung einer mittlerweile etablierten ersten Intendanz am „Resi“, die anhaltende Kritik an seinem Münchner Nachbarn, Matthias Lilienthal von den Kammerspielen. Dieser streift herkömmliche Theaterformen radikal ab, vermietete etwa in einem Performanceprojekt auf öffentlichen Plätzen Münchens kleine Hütten, um auf hohe Mietpreise aufmerksam zu machen. Auch das ist heute Theater, Postdramatik. Kuˇsej fängt damit nichts an, sein Theater ist zeitgenössisch, aber mit richtigen Stücken für richtige Schauspieler. Aber für experimentierzu