Medienqualität braucht Bildung
KUrise? Welche Krise? Rund um seine Generalversammlung zur Jahresmitte verbreitet der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) Frohbotschaften, die an ein 42 Jahre altes Album von Supertramp – „Crisis? What Crisis?“– erinnern, als die Medienära ihren ersten Tv-höhepunkt hatte. Damals überholte die Reichweite von Fernsehen jene der Tagblätter. Nun liegt das Internet voran.
Grund für den trotzigen Jubel ist u. a. der „Digital News Report“des Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford. Demnach lesen sechs von zehn Österreichern Zeitung und sind auch bereit, dafür zu zahlen; ein um 26 Prozent höherer Wert als im Schnitt der 36 untersuchten Staaten. mgekehrt zählt die hiesige Bereitschaft, für Onlinenachrichten etwas auszugeben, zu den geringsten weltweit: sieben Prozent. Eine Ursache dafür ist klar: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in Österreich eine vergleichsweise starke Position bei Fernsehen und Radio. Auf Basis dieser durch Gebühren erzielten Marktstellung stellt der ORF viele Nachrichteninhalte gratis abrufbar ins World Wide Web. Das erschwert den Zeitungen den Verkauf ihrer Internet-informationsangebote. Die Freude der Printmedien über ihre hierzulande außergewöhnlich starke Stellung ist also einerseits aktuell berechtigt, entspringt andererseits aber bloß einem langsameren Verlauf der Digitalisierung.
Nun darf die Transformation der Geschäftsmodelle von Medienhäusern dem Publikum grundsätzlich gleichgültig sein. Doch ein Effekt dieses technologischen Wandels geht alle an: Mit der Digitalisierung steigt die Quote der Nachrichtenverweigerer. Auch in Österreich beträgt sie schon 24 Prozent. Das kann weder dem ORF noch den Zeitungen und vor allem der Politik nicht egal sein. Denn es steht eine Grundlage der Demokratie auf dem Spiel. Nicht von ungefähr liegt hier die Türkei (57 Prozent) voran. m einer solchen Entwicklung gegenzusteuern, braucht es mehr als nur Medienpolitik, sondern es bedarf vor allem einer Bildungsreform, die diese Bezeichnung verdient. Weg vom Faktenwissen (das problemlos abrufbar ist), hin zur Recherchefähigkeit (um Meldungsmüll von Information zu unterscheiden). Wer über diese Kompetenz zur aktiven Auslese verfügt, verweigert sich keinen wirklichen Nachrichten. Doch je qualifizierter der Nutzer, desto höher muss die Qualität sein. Dazu braucht es weniger digitale Kompetenz als inhaltliche Beurteilungsfähigkeit. Das gilt für die Nutzer der Medien wie für die Anwender der Demokratie. Krise? Welche Krise?
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