Kleine Zeitung Steiermark

Gretchen trifft Fassbinder in Partylaune

Das Impulstanz-festival präsentier­t sich ganz im Retrolook. In einer Collage trifft Filmguru Fassbinder auf Goethes Faust.

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Rainer Werner Fassbinder ist eine Ikone des deutschen Autorenfil­ms, dessen Werke man heute kaum noch sieht. „Warnung vor einer heiligen Nutte“entstand 1970 mit den Schauspiel­größen Hanna Schygulla, Ingrid Caven und Eddie Constantin­e. Die Handlung dreht sich um ein Filmteam, das am Drehort ewig lang auf den Regisseur wartet. Währenddes­sen werden unzählige Cocktails geschlürft, sowie dem Lebensgefü­hl der Sechzigerj­ahre gemäß reger sexueller Austausch praktizier­t.

Der belgische Choreograp­h Michael Laub, ein Urgestein der Performanc­e-szene, nahm diesen Film als Vorlage und schuf eine Art atmosphäri­sche Verdichtun­g aus Tanz, Schauspiel und Video. Die Idee ist nicht ganz neu; schon in den Achtzigern machte die britische Dance Company Second Stride Ähnliches mit Hitchcocks „Notorious“. Bei Laub ist der Tanz aber nur ein Teil der theatralen Mittel, wenn auch ein sehr spezieller. So beginnt die Performanc­e mit Loungemusi­k und einem Gruppentan­z der Akteure, einem „Madison“. Unterbroch­en wird die Choreograp­hie immer wieder von Szenen, den Originalen aus dem Film nachgestel­lt. Auf der Leinwand im Hintergrun­d sieht man diese ebenso wie von Laub nachgedreh­te, so wie sie gleichzeit­ig auf der Bühne passieren.

Die Musik ist ident mit dem Filmsoundt­rack, etwa Songs von Leonard Cohen und Ray Charles. Als Leitmotiv zum Madison gibt es immer die chilligen Beats. Konterkari­ert wird das Ganze von Szenen mit „Gretchen“aus Goethes „Faust“. Ganz klar ist der Kontext nicht, aber im assoziativ­en Kosmos von Laub wird es schon Sinn ergeben. Astrid Endruweit gibt das Gretchen jedenfalls köstlich. Auch der als Moderator fungierend­e Maxwell Cosmo Cramer ist wunderbar, und überhaupt sind alle Akteure, die entspreche­nd ihrer Ähnlichkei­t mit Fassbinder­s Schauspiel­ern gecastet wurden, großartige Typen. Lukas Gander etwa spielt Fassbinder und man könnte glatt meinen, diesen leibhaftig zu sehen.

Wozu das alles? Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten im Publikum den Originalfi­lm kennen. Es gelang Laub jedenfalls, ein spannendes neues Werk aus einem alten zu destillier­en. Und er schuf eine tolle Fassbinder-hommage.

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