Harmoniesüchtiger Himmel
tua, nur wenige Gäste konnten im engen Raum der sensationellen Neuigkeit beiwohnen. Verglichen dazu, sitzen die English Baroque Soloists 450 Jahre später fast verloren auf der riesigen Bühne der Salzburger Felsenreitschule.
Gut zwei Dutzend Choristen des Monteverdi Choir nehmen hinter den Musikern Aufstellung. Fanfarenstöße aus den festlich erleuchteten Steinarkaden eröffnen das Spiel.
Spiel ist eigentlich übertrieben. Halbszenisch nennt man solche Aufführungen, die den Ansprüchen eines heutigen Opernfreundes selten gerecht werden. Auch die feine Klangraffinesse, die der britische Originalklang-spezialist John Eliot Gardiner seinem Ensemble entlockt, macht zuletzt das Fehlen des szenischen Elements, einer Deutung der alten Geschichte für heutige Seher und nicht ganz wett.
Wäre da nicht die Intensität der Freude und Trauer, die der Tenor Krystian Adam dem Orfeo verleiht, der Abend und selbst die wunderbare Musik könnten den Hauch des Akademischen nicht abschütteln.
Die „Eigenwilligkeiten“im Umgang mit Monteverdis Werken, die Gardiner im Programmheft anderen Interpreten wie Raymond Leppard, aber Hörer, auch Nikolaus Harnoncourt vorwirft, er vermeidet sie penibel. Hier ist alles so authentisch, wie es die Quellenlage verlangt und zulässt. So bleibt die bejubelte Eleganz des Abends apollinisch.
Apoll, der Gott der Schönheit und Vater des Orpheus, wirft seinem Sohn Maßlosigkeit in Freude und Leid vor, ehe er den Verzweifelten mit sich in den Himmel nimmt. Gardiner wäre wohl ein Sohn nach seinem Geschmack.
Was den Dirigenten an den „Eigenmächtigkeiten“Harnoncourts stört, ist ja gerade der wenig apollinische Versuch, die Überwältigung der damaligen Zuschauer auch heutigen, harthörigeren Ohren und Herzen wieder zu vermitteln. Im harmoniesüchtigen Himmel aber ist Überwältigung keine Kategorie.