Vom Druck, den leichten Weg zu gehen
In der Flüchtlingsfrage fehlt es am gemeinsamen politischen Willen. Das Schicksal der Asylsuchenden sollte nicht mit der Jagd nach Wählerstimmen in den Ländern verknüpft sein.
ESSAY.
Ist das Problem der Flüchtlinge nur ein administrativorganisatorisch-finanzielles Problem oder hat es auch etwas mit Werten, Humanität und Haltung zu tun?
„Natürlich ist es beides“, lautet eine durchaus lebensnahe und vernünftige Antwort. Aber in welchem Verhältnis stehen diese beiden Faktoren zueinander, nämlich das Administrieren einer schwierigen Aufgabe und die Bedachtnahme auf Menschenwürde und europäische Werte? Für dieses Mischungsverhältnis gibt es sehr verschiedene Varianten und die Entscheidung, welche Variante man wählt, hat nicht nur finanzielle und organisatorische Konsequenzen, sondern ist auch mit der Tatsache belastet, dass man zwischen politischem Rückenwind und politischem Gegenwind wählen muss. Ich erinnere mich noch gut an die absurde Diskussion, die in Österreich vor einiger Zeit zu der Frage geführt wurde, wie der Grundsatz „Liebe deinen
PZwischen zu verstehen sei. Ob dieses Gebot schon erfüllt ist, wenn man den oder die Nächsten aus der unmittelbaren Umgebung (Eltern, Ehepartner, Geschwister etc.) meint, also die weitaus bequemere Variante, oder ob das Gebot der Nächstenliebe ein Gebot zur Rücksichtnahme auf andere Menschen, zur Solidarität und zur Hilfe für in Not Befindliche ist. opulärer und leichter zu erfüllen ist sicher die erste der beiden Varianten. Menschen, die ein Gewissen haben, wissen aber ganz genau, dass die zweitgenannte Variante gemeint ist, und nur diese dem Gedanken der universellen Menschenwürde und umfassender Menschenrechte gerecht wird. Allerdings scheint es eine politische Faustregel zu geben, die da lautet: Jeder zusätzliche Flüchtling im Land, für den meine Partei verantwortlich gemacht werden kann, ist eine Stimme weniger und damit wird die Sache national und international schwierig. Sehen wir uns einmal die Zahlen an:
In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der zur Flucht gezwungenen Personen (forcibly displaced people) weltweit von 33,9 Millionen (im Jahr 1997) auf 65,6 Millionen (im Jahr 2016) angestiegen, heißt es in einem aktuellen Bericht des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten Nationen. Die Hauptursachen dafür waren und sind die gewaltbeladenen bzw. kriegerischen Konflikte in Syrien, im Irak, im Jemen, in afrikanischen Subsahara-staaten, in Afghanistan etc. Etwa 60 Prozent davon sind Binnenflüchtlinge (Vertriebene im eigenen Land), gut 40 Prozent sind ins Ausland geflüchtet. Etwa die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder bzw. Jugendliche unter 18 Jahren. Rund 84 Prozent aller Flüchtlinge halten sich in Entwicklungsländern auf. In Syrien waren 2016 fast 50 Prozent der Einwohner auf der Flucht, zum Teil im eigenen Land, zum Teil im Ausland. Die meisten Flüchtlinge in abnächsten“
Dsoluten Zahlen befinden sich derzeit laut UNHCR in der Türkei, nämlich etwa 2,9 Millionen, gefolgt von Pakistan mit 1,3 und Libanon mit ca. 1 Million. as Eu-land, in dem derzeit am meisten Flüchtlinge leben, ist Deutschland mit etwa 750.000 anerkannten Flüchtlingen. Österreich beherbergt derzeit 93.000 anerkannte Flüchtlinge. Dazu kommen noch die unerledigten Fälle, sodass man sagen kann, wir haben in der Vergangenheit Beträchtliches geleistet. Aber ich habe das Gefühl, dass die Gegenkräfte stärker werden. Auf der Flucht über das Mittelmeer sind im Jahr 2016 nicht weniger als 5143 Menschen ertrunken, das sind vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember Tag für Tag durchschnittlich 14 Männer, Frauen oder Kinder. Die Hochrechnung für 2017 ist ebenfalls alarmierend. Und der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte kürzlich: „Man kann die Mittelmeerroute nicht schließen wie eine Skipissehr