Der große Frust der Übriggebliebenen
In Sachsen nimmt die AFD der erfolgsverwöhnten CDU Mandate ab. Das kommt nicht überraschend.
In 22 Orten in Sachsen ist die AFD auf mehr als 40 Prozent gekommen. Sie hat drei Wahlkreise direkt gewonnen. In Dresden konnten sich die beiden Cduabgeordneten nur hauchdünn vor der Afd-konkurrenz behaupten. Insgesamt holte die AFD in Sachsen mehr Zweitstimmen als die CDU. Wie konnte das geschehen? Seit 1990 und den Tagen Kurt Biedenkopfs war Sachsen CDULAND. Die Union gewann alle Landtagswahlen, stellte die meisten Landräte und Bürgermeister. Doch das war einmal. Biedenkopfs Politik setzte die Schwerpunkte in den Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz. Leuchtturmpolitik hieß das. Sie bedeutete: mit Geld in den Metropolen klotzen, dorthin die Auto- oder Chipindustrie und die Forschungsinstitute locken, dort Kultur und Wissenschaft fördern – und dann auf das Licht hoffen, das von diesen Leuchttürmen weit ins Land strahlt. Ansonsten wurde gespart.
Was unterging und nun von Politikern wie der Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) als übersehener Problemberg hervorgezerrt wird, sind die psychosozialen Verwerfungen jener Jahre: Betriebsschließungen, keine neue Arbeit, Tillich: CDU hat kein Rezept für Afd-umgang sondern nur Zeitvertreib, die Abwanderung einer ganzen Generation Richtung Arbeit und Westen, das Ausbluten ganzer Landstriche, Schulschließungen, Ärztemangel, ausgedünnter Nahverkehr. In der Summe das Gefühl: Wir Übriggebliebenen gehören nicht dazu, niemand interessiert sich für uns.
Seit einem Jahr reist Köpping durch Dörfer im dünn besiedelten Osten entlang der Grenzen zu Polen und Tschechien und hört sich an, was Leute auf dem Herzen haben, denen jahrelang erklärt wurde, dass für ihre Belange kein Geld da sei. „Dass für Flüchtlinge Milliarden ausgegeben werden, wollen oder können diese Menschen einfach nicht verstehen“, sagt Köpping.
Die Linke hat den Draht ins Land verloren. Sie schrumpft, ist überaltert und nicht mehr Protestsammler. SPD und Grüne spielen keine Rolle, der CDU unter Ministerpräsident Stanislaw Tillich bricht immer schneller das Fundament weg. Die CDU hat über Jahre die NPD ignoriert, bis die Neonazis zehn Jahre im Landtag saßen und ungehindert Fremdenhass predigen konnten. Und sie hat kein Rezept für den Umgang mit der AFD, die in Sachsen 2013 sofort aufblühte. Kein Rezept für den Umgang mit Wutbürgern.