Der große Vorsitzende und die neue Opposition
Martin Schulz bleibt in der Frage nach einer Großen Koalition hart. Er baut auf den Neuanfang. Und will dafür Parteichef bleiben.
persönlich mit Merkel sprechen
Deshalb betont Seehofer: „Ein ,Weiter so‘ ist nicht möglich. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“In Berlin antwortet Merkel: „Ich kann nicht erkennen, was wir anders machen müssen.“Doch da ist noch die Frage der Orientierung. „Rechte Flanke schließen“, hat Seehofer am Wahlabend gefordert. „Wir brauchen keinen Ruck nach rechts“, sagt CDU-VIZE Julia Klöckner. Sie würde das anders nennen, sagt Merkel: „Probleme lösen.“ Martin Schulz verfährt am Tag nach der Bundestagswahl nach dem Motto: Wenn du nicht nass werden willst, musst du nur fest daran glauben, dass es keinen Regen gibt. Immer wieder wird der SPD-CHEF von Journalisten das Offensichtliche gefragt: Wie will er damit umgehen, wenn sich CDU, CSU, FDP und Grüne nicht über eine Jamaika-koalition einig werden? Wäre die SPD dann doch zu einer Neuauflage der Großen Koalition bereit, die Schulz am Wahlabend kategorisch ausgeschlossen hat? Oder würde sie in Neuwahlen gehen mit der Aussicht auf noch Schlimmeres?
Schulz beantwortet die Fragen ein ums andere Mal mit dem Hinweis, er sei überzeugt, dass sie sich gar nicht stelle. Die Jamaika-koalition werde kommen, CDU und Grüne lägen programmatisch nah beieinander, die Schulz schon im Oppositionsmodus FDP wolle an die Macht – die CSU werde schon irgendwie mitmachen. „Die Aufgabe, die wir haben, ist die Opposition“, sagt Schulz und greift sogleich Angela Merkel an: „Ich mache sie persönlich verantwortlich für den Zustand unserer Demokratie“, sagt Schulz mit Blick auf den Einzug der AFD in den Bundestag. Er wirft Merkel „Schlaftablettenpolitik“vor.
Faktisch hat Schulz mit dem Schachzug am Wahlabend mindestens für das Erste auch sich selbst gerettet. Hätte er in dieser Situation gesagt, er wolle über eine Koalition reden, hätte er es mit massivem Widerstand in der Partei zu tun bekommen. So feierten die Genossen den Wahlverlierer mit „Martin, Martin!“-rufen. Was ungewöhnlich war, wenn man bedenkt, dass Schulz gerade das historisch schlechteste Ergebnis aller Zeiten für die SPD eingefahren hatte.
Der Parteivorsitzende habe in diesem Moment das gesagt, was die Basis denke, sagt der Vizeklubchef und Parteilinke Axel Schäfer. „Bitte mach, dass es keine Große Koalition mehr gibt“– diese Forderung habe er von Mitgliedern und Bürgern immer wieder gehört. „Die SPD muss sich als linke Volkspartei, als Partei der linken Mitte profilieren“, fordert er. Da müsse sie Kurs halten – auch gegen den Zeitgeist.
Schulz wiederum bekräftigt am Tag nach der Wahl, dass er den Job an der Spitze der Partei behalten wolle – auch nach dem Parteitag im Dezember. Er habe die Erneuerung der Partei erst im März begonnen und wolle damit, nach eingehender Fehlersuche, weitermachen. Sicher sein kann er sich seiner Position aber nicht. Vor dem Parteitag kommt noch die Niedersachsen-wahl am 15. Oktober. Und die Zeit bis zum Parteitag ist noch lang.
Gleichzeitig verkündet Schulz offiziell, dass er Andrea Nahles für den Fraktionsvorsitz vorschlagen will.
Peter Tobias, Berlin