„Die Migration überlagert alle anderenfragen“
Hat die Bundestagswahl Auswirkungen auf die Wahl in Österreich? Oder sind das trotz der sprachlichen Nähe zwei Paar Schuhe?
FRITZ PLASSER: Ich sehe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Wahlverhalten in Österreich. Allerdings schließe ich strategische Konsequenzen nicht aus. In Deutschland hat – und das haben alle Wahltagsbefragungen deutlich gezeigt – ein epochales Thema das Verhalten der Deutschen in der Wahlkabine dominiert: die Flüchtlings-, Migrations- und Integrationsfrage. Da sehe ich klare Parallelen zu Österreich. Das sollten sich die Parteistrategen in Österreich genauer anschauen. Der Sonntag in Deutschland hat gezeigt: Es ist einfach nicht möglich, dem epochalen The- ma auszuweichen, die Migration überlagert alle anderen Fragen. Ob man es will oder nicht: Alle anderen Themen sind der Frage unterzuordnen. Angela Merkel und die Union haben aus naheliegenden Gründen versucht, mit wirtschaftlichen Daten einen Wohlfühlwahlkampf zu betreiben. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Das müsste Christian Kern zu denken geben, der eine ähnliche Strategie verfolgt, indem er die Flüchtlingsfrage zwar anspricht, die guten Wirtschaftsdaten und die existenziellen Probleme mancher Kreise aber in den Vordergrund schiebt.
Der Wahlausgang am Sonntag mahnt zur Vorsicht, ob das wirklich gelingt. Skepsis ist angebracht. Noch dazu steht Deutschland wirtschaftlich besser da als Österreich, Merkel hat das nichts geholfen. Kern versucht es ähnlich, wenn er in Diskussionen meint: Flüchtlinge, schön und gut, aber reden wir über die wirklich wichtigen Dinge, etwa die Alltagsprobleme von Alleinerzieherin- nen oder einkommensschwachen Kreisen. Das sind existenzielle Fragen, keine Frage. Es gibt aber eine epochale Grundstimmung, die alles überdeckt. Man kann nicht die Priorität der Themen von oben verordnen. Die Quadratur des Kreises: Fritz Plasser
Erwarten Sie, dass Kern
Kurs nachschärfen wird?
Ich erwarte in der SPÖ eine
den neue Strategiedebatte, nicht nur in Hinblick auf Schulz, sondern auch auf Merkel. Ich glaube nicht, dass Kern in Richtung Kurz’scher Position geht, er wird aber neue Zugänge suchen, um seiner Stammwählerklientel zu signalisieren: Wir wissen, was euch bewegt.
Politologe Fritz Plasser glaubt, dass unter dem Eindruck der deutschen Wahl die SPÖ ihre Position in der Flüchtlingsfrage nachschärfen wird.
Wie sehen Sie den Vormarsch der AFD?
Der Einzug der AFD stellt einen Kulturbruch dar. Wir kennen das Phänomen seit 1986, als Haider die FPÖ übernahm. Von deutschen Eliten ist die Entwicklung in Österreich stets interessiert verfolgt, aber immer als Sonderfall abgetan worden.