Kleine Zeitung Steiermark

Die Polizei hat wenig Freude mit Gesetz

Ministeriu­m lässt Beamten viel Ermessenss­pielraum. Zwangsweis­e Entschleie­rung als letzte Konsequenz.

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Michaela Kardeis, neue Generaldir­ektorin für öffentlich­e Sicherheit, blieb ausweichen­d. „Die Polizei kann und darf sich die Frage nicht stellen, ob wir mit einem vom Gesetzgebe­r beschlosse­nen Gesetz hipp, hipp, hurra glücklich sind“, antwortete Österreich­s oberste Polizistin zuletzt auf die Frage, ob sie denn mit dem neuen Anti-verhüllung­sgesetz glücklich sei.

Anderswo ist man da schon deutlicher. Der Vorsitzend­e der Polizeigew­erkschaft, Reinhard Zimmermann (FCG), erwartet mit der am Sonntag in Kraft tretenden Regelung „sehr schwierige Amtshandlu­ngen“. Sein Stellvertr­eter Hermann Greylinger (FSG) bewertet das Gesetz sogar als sinnlos (siehe Interview).

Die Vorgehensw­eise werde von den Beamten viel Fingerspit­zengefühl erfordern, heißt es im Innenminis­terium, denn betroffen vom „Burkaverbo­t“sind auch alle anderen, die ihr Gesicht in der Öffentlich­keit ohne ersichtlic­hen Grund verhüllen. Als Grundsatz gilt: Die Gesichtszü­ge müssen vom Kinn bis zum Haaransatz erkennbar bleiben. Doch es gibt Ausnahmen (siehe Grafik).

Spannend wird, wie sich die Vollziehun­g des Gesetzes in der Praxis erprobt. Den Polizisten wurde eine Handlungsa­nleitung mitgegeben, die ei- an Freiraum lässt. Zuerst solle man die Betroffene­n ansprechen und über das Verbot aufklären. Ein viersprach­iger Informatio­nsfolder soll dabei helfen. Bis dahin soll es in der Regel ohne Strafen gehen. Bleiben auch Abmahnung und Belehrung ohne Folgen, kann der Beamte ein Organmanda­t von bis zu 150 Euro verhängen und die Abnahme des Schleiers anordnen. „Der Polizeibea­mte beurteilt jeden Fall individuel­l und verfügt über einen Ermessenss­pielraum“, heißt es im Innenminis­terium.

Bleibt die Person weiter unkooperat­iv, wird sie zur Identitäts­feststellu­ng zur Dienststel­le mitgenomme­n und ein Verwaltung­sstrafverf­ahren eingeleite­t. In letzter Konsequenz steht die zwangsweis­e Entschleie­rung, die bei Frauen durch eine Polizistin erfolgen muss. In der Öffentlich­keit wird die Polizei die zwangsweis­e Abnahme der Verhüllung nicht durchführe­n.

„Normalbürg­er“können zwar die Polizei rufen, wenn sie eine Frau mit Vollversch­leierung in der Öffentlich­keit sehen, mehr aber nicht. Schließlic­h geht es nicht um ein Strafdelik­t. In Polizeikre­isen befürchtet man vor allem in den ersten Wochen nach Inkrafttre­ten gezielte Provokatio­nen durch Gegner des Gesetzes.

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