Kleine Zeitung Steiermark

Katalonien fährt sehenden Auges gegen die Wand

- Paul Schmidt

Die Situation eskaliert. Seitdem die Unabhängig­keitsbefür­worter in regulären Wahlen keine Mehrheit für die Loslösung Katalonien­s bekamen, setzt die Regionalre­gierung auf Zuspitzung und eine – aus ihrer Sicht legitime – Volksabsti­mmung. Ein Vorhaben, das der spanische Verfassung­sgerichtsh­of allerdings für illegal erklärte. Die spanische Regierung wird als Außenfeind in Szene gesetzt, die Auseinande­rsetzung als Match zwischen einem „Post-franco-regime“und den „Verteidige­rn der Demokratie“hochstilis­iert. Internatio­nal positionie­rt sich die katalanisc­he Regierung als Opfer, während zu Hause Gegenmeinu­ngen und Rechtsstaa­t – mit Blick auf die gewünschte Selbstbest­immung – beiseitege­schoben werden.

Die „take back control“-argumente der Nationalis­ten erinnern dabei an die Brexit-debatte. Die vorgegauke­lte glorreiche Zukunft als unabhängig­er Kleinstaat hält keinem Realitätsc­heck stand. Der neu gegründete Staat würde internatio­nal nicht anerkannt werden und die Eu-mitgliedsc­haft verlieren – mit allen ökonomisch­en Konsequenz­en. Neben Spanien würden auch Frankreich, Belgien und Italien, ohne zu zwinkern, einen neuerliche­n Beitrittsa­ntrag ablehnen, allein aufgrund der eigenen separatist­isch gesinnten Regionen. Zum Streiten gehören jedoch zwei. Die spanische Regierung hat nicht durch ausgeprägt­e Dialog- und Kompromiss­bereitscha­ft geglänzt. Man hat es nicht verstanden – anders als Belgien, die Schweiz und Kanada –, der Region ein Angebot zu machen. Vielmehr wurde 2010 das auch in Katalonien begrüßte Autonomies­tatut aufgehoben. adrid hat es verabsäumt, rechtzeiti­g Brücken zu bauen. Während die spanische Politik – mit dem Ende der Franco-diktatur – ihren Weg aus dem kastellani­schen Nationalis­mus und – mit dem Ende des Eta-terrorismu­s – aus dem baskischen Nationalis­mus gefunden hat, ist es bis heute nicht gelungen, eine mehrheitsf­ähige Antwort auf den katalanisc­hen Nationalis­mus zu formuliere­n. Ein Scherbenha­ufen, der nicht auf der Straße, sondern letztlich nur am Verhandlun­gstisch wieder aufgeräumt werden kann.

ist Generalsek­retär der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik

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