Wie ist es, einen fremden Menschen zu pflegen?
Meistens frage ich mich: Wie möchte ich gepflegt werden, falls ich später einmal in die Situation komme? Und nach dieser Vorstellung versuche ich dann mit den Bewohnern umzugehen.“Was aus dem Mund von Pflegeassistent Armin H. (Name von der Redaktion geändert, Anm.) eingangs so selbstverständlich klingt, entpuppt sich im Laufe des Gesprächs immer mehr als kühne Ansage. Zum einen angesichts der Zwänge, unter denen offenbar die gesamte Branche tagtäglich trotzdem funktionieren muss. Und zum anderen mit den Schlagzeilen rund um den Pflegeskandal in Kirchstetten im Hinterkopf, die wieder einmal einen vorschnellen Generalverdacht gegen Pflegepersonal an und für sich schüren.
Armin H. zuckt darauf nur mit den Schultern, sagt: „Keine Ahnung, was in solchen Menschen vorgeht. Für mich ist das unvorstellbar.“Und dann beginnt er zu erzählen. Von seinen Zehn-stunden-diensten im Pflegeheim in Kärnten. Dort arbeitet H. seit mehreren Jahren, „zum Glück für einen guten Arbeitgeber und mit einem super Team“.
Dienstbeginn beim Tagdienst ist um 7 Uhr, kurze Übergabebesprechung mit den Nachtpflegern, dann geht’s schon los: Bewohner waschen, sie auf die Toilette begleiten, Zähne putzen, Verbände wechseln. „Danach kommt schon das Frühstück. Manchen, denen es sehr schlecht geht, muss man es eingeben“, erklärt er.
43 Bewohner hat das Heim bei Vollbelegung, tagsüber sind für ihre Betreuung vier Pfleger zuständig. Jeder kümmert sich also um mehr als zehn alte Menschen zugleich. „Bei der Körperpflege sind für jeden Bewohner 25 bis 30 Minuten vorgesehen. Bei manchen, die selbst noch viel machen können, geht das natürlich schneller. Bei anderen, etwa wenn sie bettlägerig sind, ist diese vorgesehene Zeit aber schon knapp bemessen“, sagt H. Zum ersten Mal fällt das Wort Personalmangel. Und er fügt hinzu: „Einer mehr im Dienst und wir hätten zeitlich weniger Probleme.“as Tagesprogramm wird zügig durchgezogen. Nach der Morgenroutine wird geputzt, desinfiziert, in den Doppelzimmern Ordnung hergestellt. „Man will es den Bewohnern ja wohnlich machen.“Zu Mittag wieder: Essen eingeben, Toilettengänge, manche wollen ein Mittagsschläfchen machen. Danach Kaffee und Kuchen und ein wenig Frischluft, wenn es das Wetter zulässt.
„Einige Bewohner, die nicht sehr belastbar sind, müssen wir um 15.30 Uhr schon wieder niederlegen. Denen ist der Tag da schon lang genug“, meint H. Nach und nach folgen auch die anderen, „im Winter sind die meisten um 19 Uhr im Bett. Das ist aber kein Zwang. So ein Heim ist ja kein Gefängnis. Manche Damenrunden ratschen auch gerne bis spät in die Nacht“, erzählt der Altenpfleger.
Viel Alltag also, aber für das Personal auch wachsende Herausforderungen. „Natürlich kann es körperlich anstrengend sein, Menschen zu heben. Für mich aber ist der Hauptstress im psychischen Bereich.“Ar-
DH. beobachtet, dass der Anteil der schwer Demenzkranken in den Pflegeheimen demographiebedingt extrem ansteigt. Auch in seinem. „Bewohner mit dieser Krankheit schreien oft stundenlang ständig nach dem Pfleger, auch wenn der gerade erst da war. Oder sie betätigen unentwegt die Glocke. Das kann sehr anstrengend werden, wenn man 25 bis 30 Glockengänge pro Stunde absolvieren muss neben der normalen Arbeit.“
Einfach ignorieren? Geht nicht. Bei jedem Läuten hat das Pflegepersonal maximal drei Minuten Zeit zum „Abdrücken“. Alles andere kommt ins Protokoll. Selbst wenn der Grund ein anderer Bewohner war, der in dem Moment gerade geduscht wurde, als die Glocke schon wieder bimmelte. Vorschrift ist Vorschrift. propos: Auch den laufenden Papierkram sollte man als Altenpfleger noch unterbringen. „Das ist ein Punkt, bei dem beim Personal viel Frust entsteht“, sagt H. Zur Sicherheit sollte alles schriftlich dokumentiert werden, was den einzelnen Bewohner betrifft. Und zwar detailgenau, der Pfleger nennt das: „Jeden Wind, den jemand gelassen hat.“Und er merkt an: „Im Grunde wird jeder Heimbewohner damit zu einem gläsernen Menschen.“Vor allem geht es dabei um die Absicherung gegenüber Vorwürfen von Angehörigen. H. dazu: „Wenn sich ein Familienmitmin
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