Warum Washington im Herzland so unbeliebt ist
Eine der bedeutendsten Soziologinnen der USA ist zu den neuen Rechten gereist.
Der Spalt durch die Gesellschaft der Vereinigten Staaten wird immer mächtiger. Dazu beigetragen hat auch die Unfähigkeit, sich gegenseitig zuzuhören, sich ernst zu nehmen und die jeweils anderen Sorgen, Ängste, Lebenswelten und lebensbestimmenden Widrigkeiten anzuerkennen. Die Us-amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild hat bereits 2011 eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten gemacht, dort beobachtet und zugehört. Ihre Reise ist allerdings nicht nur die einer klassischen Beobachterin. Sie geht ihre Reise ebenso wissenschaftlich an wie sie auch ihr Buch „Fremd in ihrem Land“(auf Deutsch im Campus-verlag erschienen) geschrieben hat. Mit Akribie, wissenschaftlichem Quellenbeleg und Beschreibung des Reiseaufbaus wie ein Forschungsprojekt. Das liegt daran, dass Hochschild eine der bedeutendsten Soziologinnen der Gegenwart ist und an der Universität von Kalifornien in Berkeley als Professorin gelehrt hat. Es geht ihr darum, sich keinen Vorwürfen der Verzerrung aussetzen zu müssen. Ihr Ziel ist, sich wieder gegenseitig zu verstehen, und dazu gehört in erster Linie, sich überhaupt zu begegnen. Das Buch ist dennoch keine trockene Abhandlung, sondern eine höchst lebendige Schilderung einer Lebenswelt, die selbst vielen Metropolenbewohnern der US-OST- und -Westküste bislang verschlossen geblieben ist. Andersherum bringt sie ihre eigene Weltsicht in eine Gegend, die sich bewusst abzugrenzen versucht. Kulturen prallen in dem riesigen Land aufeinander, beide Seite sprechen jeweils von einem „anderen Amerika“. Und doch gibt es Verbindendes. Es ist eine wundervolle Erzählung aus dem Herzland der USA. Es erzählt ohne Häme und mit einer offenherzigen Überraschung über die eigene Unerfahrenheit im Umgang mit dem Gesellschaftsbild rechter Wähler sowie von den Problemen, den Gedanken dieser Menschen und ihren Wünschen an den einen Präsidenten, die Dinge geradezurücken. Rothschild begann ihre Reise nämlich schon 2011, lange bevor Trump gewählt wurde. Es ist ein Plädoyer für Liberale und Rechte, sich wieder zuzuhören. Arlie Russell Hochschild.
Fremd in ihrem Land. Campus-verlag,
429 Seiten, 30,80 Euro.