Kleine Zeitung Steiermark

Zug für Kern ist abgefahren

Mit der jüngsten Entwicklun­g in der Affäre Silberstei­n verspielt die SPÖ und ihr Spitzenkan­didat die wohl letzte Chance im Dreikampf um die Kanzlersch­aft.

- Hubert Patterer

Man kann gar nicht anders als an ihn denken, wenn man an den Wahlkampf der SPÖ denkt und an den Fluch, der über ihm liegt, nicht erst seit gestern: Captain Murphy. Der Ingenieur hat aus seinen technische­n Experiment­en eine dunkle Gesetzmäßi­gkeit abgeleitet, nach der alles misslingt, was misslingen kann.

Die Deutung des Ungemachs als Verkettung von Widrigkeit­en ist naheliegen­d, wenngleich eine sehr schmeichel­hafte Interpreta­tion dessen, was in der Affäre rund um den Ex-berater Tal Silberstei­n ruchbar wurde. Hier hat nicht die Macht des Schicksals Regie geführt. Das Debakel ist selbst verschulde­t.

Silberstei­n war zwar nach Korruption­svorwürfen von der Parteispit­ze gefeuert worden, die fingierten Facebook-seiten, als deren Urheber er jetzt enttarnt wurde, wurden aber von Mitarbeite­rn Silberstei­ns weiter bespielt. Sie hatten das Ziel, den Mitbewerbe­r Sebastian Kurz, unter anderem über ein ideologisc­h verhaltens­auffällige­s Fan-portal, subtil in Misskredit zu bringen und Anhänger zu verschreck­en. Es war eine ausgekoppe­lte Parallel-aktion, an der zumindest ein Mitarbeite­r aus dem Sp-team mitwirkte.

Zwei Fragen bleiben auch nach dem Rücktritt des überforder­ten Wahlkampfl­eiters Georg Niedermühl­bichler ungeklärt: Wer hat die Installier­ung der Facebook-seiten beauftragt, und: Wer hat sie bezahlt?

Entlastend ist keine der denkbaren Erklärunge­n. Entweder die Wahlkampfl­eitung wusste von den Machenscha­ften und ließ still gewähren, dann hat sie die volle Verantwort­ung mit allen Konsequenz­en zu tragen. Oder aber die Verstricku­ng über Einzelpers­onen geschah außerhalb des Wahrnehmun­gskegels, dann bleibt immer noch der Eindruck einer Führung, die ihren Laden nicht unter Kontrolle hat. Mit Pechsträhn­e und Murphy hat keine der beiden Varianten zu tun. Der Rücktritt des Partei-geschäftsf­ührers war daher zwingend und zwingend geboten.

Retten wird er Christian Kern, den Spitzenkan­didaten, freilich nicht mehr. Der Beklagensw­erte hat sich damit wohl endgültig aus dem Rennen um die Kanzlersch­aft hinauskata­pultiert. Während der Wahlkampf seines Gegenspiel­ers Kurz störungsfr­ei wie ein selbstfahr­endes Auto auf das Ziel zusteuert, verdichtet sich jener von Kern zu einem einzigen Fiasko. Der Bedrängte muss eine digitale Schmutzküb­el-kampagne verantwort­en, auch wenn er persönlich damit nichts zu tun haben mag.

Aber auch hier gilt die culpa in eligendo: Kern ist kanzlertau­glich, das Wahlkampf-team ist es nicht. Doch es ist seines: eine zerstritte­ne Chaos-truppe. Das muss eine bittere Erfahrung sein für jemanden, der als Konzern-manager im Ruf stand, mit fester Hand straff zu führen.

Zugleich offenbart die Affäre, wie verführeri­sch und diabolisch die Möglichkei­ten der sogenannte­n sozialen Netzwerke sind, der neuen, großen Bühne moderner Wahlkämpfe. Wie leicht man zum Verleger des Verleumder­ischen wird. Und wie leicht und schnell einem dabei die Zügel entgleiten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria