Zur Person
einbringen. Lebendige Gottesdienste berühren. Das kann auch eine schlichte heilige Messe sein. Eine Studie besagt, Menschen schätzen im Gottesdienst ansprechende Musik, eine gute Predigt und das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Es braucht nur selten die großen Events. Das Einfache gut und leidenschaftlich tun. Das fasziniert.
Haben Sie je durchlebt?
Meine Eltern haben mir einen sehr geerdeten Glauben mitgegeben, der durch viele Begegnungen weitergereift ist. Ich habe meist ein sehr kindliches Vertrauen, dass letztlich alles einen Sinn hat und die ganze
eine
Glaubenskrise
geb. 1965 in Übelbach bei Graz. 1991 Priesterweihe, ab 1999 Pfarrer von Graz-st. Andrä, seit 2016 Bischofsvikar für Caritas und Evangelisation. 27. September: Papst Franziskus ernennt ihn zum Bischof von Innsbruck. Bischofsweihe: am 2. Dezember im Innsbrucker Dom. Welt gottvoll ist. Manchmal beschleicht mich aber auch das Gefühl, dass der Glaube vielleicht nur eine große Erzählung ist – und ich ein Agnostiker, unsicher wie viele andere auch. Zum Glück gibt es in diesen Situationen Menschen, an deren Glauben ich mich anhalten kann. Jesus ist für mich entscheidend.
Der muslimische Glaube scheint vital zu sein und wächst. Kritiker werfen der katholischen Kirche vor, eine naive Toleranz zu leben. Zu Recht?
Tolerant sollte die Kirche immer sein, naiv natürlich nicht. Mit Sicherheit will ich keine defensiven und aggressiven Haltungen fördern. Wir leben in eifeier ner globalisierten Zeit. Diversität mit all ihren sozialen Bruchstellen reicht in jedes Dorf hinein. Auch in Tirol. Als Bischof werde ich den Auftrag haben, Einheit zu fördern – in dieser Frage zwischen den extrem Verängstigten und den unbekümmert Weltoffenen. Unser christlicher Glaube trägt ein riesiges Potenzial zur Bewältigung der aktuellen Probleme in sich. Gefährlich wird es, wenn man Fremde vertreiben will. Wir sollten uns nicht in scheinbar unbewältigbare Bedrohungsszenarien hineinreden lassen. Ein Land kann auch durch einen hochgepeitschten, beinhart erfolgreichen Tourismus geistig und seelisch ausgelaugt werden.
Gehört der Islam zu Österreich? Die Frage ist falsch gestellt und irreführend: Jeder Mensch sollte überall auf der Welt das Recht haben, seine Religion frei zu wählen und ausüben zu können. Oder auch explizit keiner anzugehören. Außerdem ist der Islam kein homogenes Phänomen. Es gibt den salafistischen, meist hoch politisierten Islam, den ich für gefährlich erachte und schlichtweg ablehne. Aber generell begegnet die katholische Kirche der Mehrheit der Muslime mit tiefem Respekt. Freundschaftliche Beziehungen gehören dazu.
Ab heute gilt das Burkaverbot. Heißen Sie es gut?
Ich tue mir schwer, etwas an Kleidungsstücken festzumachen. Aber wir leben in einer Gesellschaft, die darauf Wert legt, einander offen zu begegnen. Ich empfinde Unbehagen, wenn ich nur das Augenpaar einer Person sehe.
Wie erleben Sie den Wahlkampf, in dem Migration und Zuwanderungsstopp die Auseinandersetzung bestimmen?
Die Verschärfung in den Worten und in den Gesten tut mir weh. Da gab es eine unselige Allianz der drei führenden Parteien. Wenn nun beispielsweise von der Verpflichtung zur Arbeit für Asylwerber gesprochen wird. Bisher durften sie keiner Arbeit nachgehen, sie wurden verpflichtet, nichts zu tun. Und nun kommt der Vorwurf, dass sie ja ohnehin nur unser Sozialsystem belasten. Diese verletzende Rhetorik wird nach der Wahl wohl nachlassen, aber sie reißt jetzt Wunden. Und Menschen des Landes zu verweisen, die sich bereits bestens integriert haben, erscheint mir bedenklich und nicht selten unrecht zu sein.
Man muss da nüchtern einwenden: Das ist der Rechtsstaat. Selbstverständlich. Der Staat darf seine hoheitlichen Rechte und Pflichten nicht aufgeben. Doch wir sind auch eingebettet in eine Weltgesellschaft, die im Aufbruch ist. Migration ist ein Faktum. Die Ursachen sind vielfältig. Oft eine reale, extrem belastende Perspektivenlosigkeit für die jüngere Generation. Ich habe das in Afrika vor Ort gesehen. Jetzt zahlen wir wahrscheinlich den Preis dafür, dass wir über Jahrhunderte hinweg bis heute die Ressourcen von fremden Ländern und Kontinenten abgesaugt haben. Niemand wird behaupten können, in diesen Fragen eine letztgültige Lösung zu haben. Es braucht sehr, sehr viel Geduld und eine heilige Ungeduld zugleich.
Werden die Tiroler sie aufbringen?
Das Land hat Tiefe und Höhe – und muss die Weite wahren. Von Innsbruck aus soll man trotz Brenner nach Rom sehen können, auf das Mittelmeer und darüber hinaus. Ein starkes Bild, finde ich. Oder um Hanns Koren zu zitieren: Heimat ist Tiefe und nicht Enge.
Wie geht es Ihnen mit dem Einüben ins Tirolertum?
Dass mir die Menschen beim ersten Gebet im Dom die Hände aufgelegt haben, war ein starkes Zeichen. Freilich muss ich noch „Tirol lernen“. Zwei Worte kann ich schon: „Griaß enk!“und „Luschtverluscht“. Das heißt Frustration auf Tirolerisch (lacht).