65 Fahrräder abgeschleppt
Leitlinien für Blinde zu verparken, kann seit zwei Monaten für Radler teuer werden. Nach wie vor übersehen viele die Markierungen.
Sie sind seit mehr als zwanzig Jahren in der Stadt zu finden und sind doch vielen unbekannt: die sogenannten „taktilen Leitlinien“– Rillen im Boden, an denen sich Blinde und sehgeschädigte Menschen orientieren können. Dass es kein Kavaliersdelikt ist, diese Leitlinien zu verstellen, und dass diese Gedankenlosigkeit teuer werden kann, mussten 65 Grazer Radfahrer seit 7. August erfahren: Ihre Räder wurden abgeschleppt.
„Ein Drittel wurde bisher wieder ausgelöst“, ist im Büro von Verkehrsstadträtin Elke Kahr zu erfahren. „Manche Besitzer verstehen nicht, warum die Räder nicht einfach woanders hingestellt werden, die meisten sind aber einsichtig, wenn man ihnen erklärt, wofür diese Linien eigentlich da sind“, ist bei der Firma Wuthe in der Triester Straße zu erfahren, bei der man die Räder abholen kann. Für das Abschleppen fällt dabei eine Gebühr von 29,64 Euro an, dazu kommt eine Lagergebühr von 1,78 Euro pro Tag. Und dann ist wie für falsch geparkte Autos auch ein Bußgeld zu berappen, das je nach Vergehen und Begleitumständen bemessen wird.
Möglich gemacht hat das eine Novelle der Straßenverkehrsordnung, die taktile Leitlinien unter verschärften Schutz stellt. „Das ist aber keine Radlerstrafaktion. Es geht darum, aufzuklären. Auch Müllkübel, Sonnenschirme und Wühlkisten werden auf diese Leitlinien gestellt“, unterstreicht Kahr. Wie der Blinden- und Sehbehindertenverband Steiermark setzt sie deshalb weiter auf Information. Auf die erste Infokampagne im Juli soll jetzt im Oktober eine zweite folgen. Welche Tragweite das Thema hat, macht Helmut Kroissenbrunner vom Blindenverband klar: „Steht ein Hindernis auf den Leitlinien, ist das für Betroffene als würde beim Autofahren plötzlich das Navi ausfallen.“ Seit 1994 hat Graz ein tastbares Bodenleitsystem. Blinde und Sehgeschädigte führen den Langstock an diesen Rillen entlang. Fußgängerübergänge oder Haltestellen und wichtige Eingänge werden durch T-förmige Rillenplatten (das „Grazer T“) markiert.