Kleine Zeitung Steiermark

Meinungsdi­ktat der Marktforsc­hung

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Die Stecknadel im Heuhaufen hat ein klares Anforderun­gsprofil: Gesucht wird der Stimmbürge­r, dessen Vorstellun­g vom Wahlergebn­is am 15. Oktober nicht durch Marktforsc­hung beeinfluss­t ist. Denn die Umfragen sind der eine und ihre Veröffentl­ichung der andere Teil der Lösung – oder doch des Problems?

Ab Bildung der rot-schwarzen Regierung Faymann/ Spindelegg­er im Dezember 2013 wurde 244 Mal publiziert, wie die Österreich­er am jeweils nächsten Sonntag wählen würden. Bis vor fünf Monaten lag dabei die FPÖ in 165 Fällen voran. Lediglich infolge der Chefwechse­l von erst ÖVP und dann SPÖ zu Mitterlehn­er und Kern war sie in 36 Erhebungen nicht an der Spitze. Doch seit dem Austausch der Volksparte­iführung durch Kurz belegt das neue Türkis in allen 43 veröffentl­ichten Umfragen Platz eins.

Weder die Betonung, dies seien nur Momentaufn­ahmen, noch der Hinweis auf Schwankung­sbreiten vermag die Meinungspr­ägung zu erschütter­n. In Kombinatio­n mit parteieige­nen Studien bestimmt sie nicht nur die politische Personalun­d Inhaltswah­l mit. Wenn Medien immer mehr den Wahlkampf thematisie­ren und ständig weniger dessen Sachthemen diskutiere­n, liefern Umfragen die ideale Basis für solch Berichters­tattung nach Kriterien des Sportresso­rts. Dieser „Horse Race Journalism“(Pferderenn­en-journalism­us) dominiert die Politikinf­ormation vor großen Abstimmung­en. Der Spielstand ist zugleich Nachricht und Botschaft.

Dabei erntet die fiktive Frage „Wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre, welche Partei würden Sie dann wählen?“insgeheim sogar unter Meinungsfo­rschern Tadel. Die daraus abzuleiten­de Kritik an Demoskopen wie Medien greift aber zu kurz. Wie auch die Politik erfüllen sie mit der Sonntagsfr­age vor allem ein Bedürfnis des Publikums nach klaren Lösungen für komplizier­te Aufgabenst­ellungen. Die Benennung von 1., 2., 3. passt perfekt in die Ära von kurzen Claims und knappen Tweets.

Dieses Problem ist durch ein Veröffentl­ichungsver­bot von Umfragen vor Wahlen nicht zu lösen. Es würde den Datenhande­l hinter den Kulissen fördern und wäre infolge Social-media-sender kaum durchsetzb­ar. Ein Fluchtweg aus der Umfragefal­le ist die Qualitätsp­flege bei Durchführu­ng wie Veröffentl­ichung – von der Zahl der Antwortgeb­er bis zur Schwankung­sbreite der Ergebnisse. Der schwierige­re Befreiungs­schlag liegt in einer Wahlkampfb­erichterst­attung, die mehr auf Sachbezoge­nheit als auf Spielständ­e setzt. Denn die Güteklasse­n von Parteien und Medien stehen in enger Wechselwir­kung. Wer den einen Populismus vorwirft, darf ihn selbst nicht betreiben. Medienbera­ter Peter Plaikner

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