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Der „Tatort“-fall „Hardcore“sorgte im Vorfeld für mehr Aufsehen als nach der Ausstrahlung. Die Gründe des Bayerischen Rundfunks für den deftigen Krimi sind nachvollziehbar.
Der jüngste „Tatort“war also im Pornomilieu angesiedelt, und letztendlich erregte die Folge aus München hauptsächlich die „Bild“zeitung: „So hat die ARD uns den ,Tatort‘ versaut“, hieß es darin. Aber der Aufschrei beschränkte sich auf den Boulevard. „Spiegel Online“resümierte: „Der ,Tatort‘ tritt aber nie in die Ironiefalle. Pornografie ist kein Witz, sie ist allgegenwärtig und hat möglicherweise mehr Einfluss auf Teile der Bevölkerung als Streamingdienste und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zusammen.“
Im ORF fuhr die Quote für die hauptsächlich verbal deftige Folge „Hardcore“eine durchschnittliche Quote ein: 669.000 schalteten ein, das heißt um 20.000 Krimifans mehr als beim „Tatort“üblich. Hörbare Aufregung suchte den Küniglberg keine heim: Die empörten Anrufe beim Orf-kundendienst lagen im niedrigen zweistelligen Bereich. Auf der Website der Kleinen Zeitung nahmen gut 1300 User an einer Abstimmung teil – für 60 Prozent war die Folge „aus dem Leben gegriffen“und somit okay.
Regisseur Philip Koch gelang ein tabuloser Einblick in die glamourfreie Pornoszene, die sich im Onlinezeitalter zu einem Großteil im Amateurbereich abspielt. Wer tatsächlich Lust empfindet, ein Filmchen zu drehen, dem genügen letztendlich Die Ermittler Miro Nemec, Udo Wachtveitl und Ferdinand Hofer
ein Handy und ein Internetzugang. Dass ein Kriminalfall in dieser Szene schwerlich ohne Nackten gedreht werden kann, sollte einleuchten. Traditionell steht der „Tatort“auch für Authentizität: „Die Folge ,Hardcore‘ wirft ohne Voyeurismus einen aufklärerischen und klischeefreien Blick auf eine zugleich mit Scham und Faszination besetzte Branche“, beteuert Produzentin Kirstin Hager.
Gewundert mag sich der ein oder andere Zuseher darüber haben, dass nackte Frauen und angedeutete Sexszenen um 20.15 Uhr erlaubt sind. Freigegeben war „Hardcore“ab zwölf Jahren. Stephanie Heckner, Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk (BR), erklärt, warum: „Die Bewertung begründet sich darin, dass der Film Pornogeschäft und Pornokonsum als nicht erstrebenswert darstellt“, sagt Heckner, deren BR die Folge produziert hat: „Uns ging es darum zu erzählen, wie zerstörerisch die Beschäftigung mit Porno sein kann. Die Ermittler ordnen die Handlung moralisch ein und beziehen klar Position.“Auch im ORF ist man zu einem ähnlichen Schluss gekommen, denn die Folgen werden natürlich auch am Küniglberg redaktionell bewertet.
Beim Bayerischen Rundfunk meldeten sich übrigens lediglich 20 Zuseher mit negativen Reaktionen. Angesichts von 9,12 Millionen Zusehern in der ARD ein kaum hörbarer „Aufschrei“.