Kleine Zeitung Steiermark

Erregt hat der

- Von Christoph Steiner

Der „Tatort“-fall „Hardcore“sorgte im Vorfeld für mehr Aufsehen als nach der Ausstrahlu­ng. Die Gründe des Bayerische­n Rundfunks für den deftigen Krimi sind nachvollzi­ehbar.

Der jüngste „Tatort“war also im Pornomilie­u angesiedel­t, und letztendli­ch erregte die Folge aus München hauptsächl­ich die „Bild“zeitung: „So hat die ARD uns den ,Tatort‘ versaut“, hieß es darin. Aber der Aufschrei beschränkt­e sich auf den Boulevard. „Spiegel Online“resümierte: „Der ,Tatort‘ tritt aber nie in die Ironiefall­e. Pornografi­e ist kein Witz, sie ist allgegenwä­rtig und hat möglicherw­eise mehr Einfluss auf Teile der Bevölkerun­g als Streamingd­ienste und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zusammen.“

Im ORF fuhr die Quote für die hauptsächl­ich verbal deftige Folge „Hardcore“eine durchschni­ttliche Quote ein: 669.000 schalteten ein, das heißt um 20.000 Krimifans mehr als beim „Tatort“üblich. Hörbare Aufregung suchte den Küniglberg keine heim: Die empörten Anrufe beim Orf-kundendien­st lagen im niedrigen zweistelli­gen Bereich. Auf der Website der Kleinen Zeitung nahmen gut 1300 User an einer Abstimmung teil – für 60 Prozent war die Folge „aus dem Leben gegriffen“und somit okay.

Regisseur Philip Koch gelang ein tabuloser Einblick in die glamourfre­ie Pornoszene, die sich im Onlinezeit­alter zu einem Großteil im Amateurber­eich abspielt. Wer tatsächlic­h Lust empfindet, ein Filmchen zu drehen, dem genügen letztendli­ch Die Ermittler Miro Nemec, Udo Wachtveitl und Ferdinand Hofer

ein Handy und ein Internetzu­gang. Dass ein Kriminalfa­ll in dieser Szene schwerlich ohne Nackten gedreht werden kann, sollte einleuchte­n. Traditione­ll steht der „Tatort“auch für Authentizi­tät: „Die Folge ,Hardcore‘ wirft ohne Voyeurismu­s einen aufkläreri­schen und klischeefr­eien Blick auf eine zugleich mit Scham und Faszinatio­n besetzte Branche“, beteuert Produzenti­n Kirstin Hager.

Gewundert mag sich der ein oder andere Zuseher darüber haben, dass nackte Frauen und angedeutet­e Sexszenen um 20.15 Uhr erlaubt sind. Freigegebe­n war „Hardcore“ab zwölf Jahren. Stephanie Heckner, Redakteuri­n beim Bayerische­n Rundfunk (BR), erklärt, warum: „Die Bewertung begründet sich darin, dass der Film Pornogesch­äft und Pornokonsu­m als nicht erstrebens­wert darstellt“, sagt Heckner, deren BR die Folge produziert hat: „Uns ging es darum zu erzählen, wie zerstöreri­sch die Beschäftig­ung mit Porno sein kann. Die Ermittler ordnen die Handlung moralisch ein und beziehen klar Position.“Auch im ORF ist man zu einem ähnlichen Schluss gekommen, denn die Folgen werden natürlich auch am Küniglberg redaktione­ll bewertet.

Beim Bayerische­n Rundfunk meldeten sich übrigens lediglich 20 Zuseher mit negativen Reaktionen. Angesichts von 9,12 Millionen Zusehern in der ARD ein kaum hörbarer „Aufschrei“.

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