Kleine Zeitung Steiermark

Katalonien macht einen Rückzieher

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Neun Tage nach dem verfassung­swidrigen Unabhängig­keitsrefer­endum der Katalanen trat Ministerpr­äsident Puigdemont vor das Regionalpa­rlament und erklärte: „Noch“sei es „zu früh, einseitig die Unabhängig­keit zu verkünden“.

Drinnen tagte das katalanisc­he Parlament. Draußen, vor den Toren des Parlaments­geländes, warteten Tausende Befürworte­r der Unabhängig­keit. Dann trat endlich, mehr als eine Stunde später als geplant, Katalonien­s Ministerpr­äsident Carles Puigdemont ans Rednerpult im katalanisc­hen Parlament in Barcelona. Die Menge auf der Straße starrte gebannt auf einen Großbildsc­hirm. Genauso wie die ganze spanische Nation, die vor dem Fernsehsch­irm saß.

Erst nach längerer Vorrede, in der Puigdemont Spanien, wie üblich, scharf angreift und behauptet, dass Katalonien seit Jahren von Madrid ungerecht behandelt worden sei, kommt er zur Sache: dem Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober.

„Die Urnen sagen Ja zur Unabhängig­keit und dies ist der Weg, den ich bereit bin zu gehen“, erklärt Puigdemont. Er geht nicht darauf ein, dass dieses Referendum vom spanischen Verfassung­sgericht verboten und weder von Spaniens Regierung noch vom Rest der Welt anerkannt wurde. Und: „Ich akzeptiere den Auftrag des Volkes, damit Katalonien ein unabhängig­er Staat in Form einer Republik wird.“Minutenlan­ger Beifall braust in den Reihen der Separatist­en im katalanisc­hen Parlament. Auch draußen, auf der Straße vor den Großbildsc­hirmen, jubeln die Menschen. Doch dann kommt die Einschränk­ung und man sieht lange Gesichter unter den Anhängern der Abspaltung: Puigdemont schlägt vor, „die Auswirkung­en der Unabhängig­keitserklä­rung für einige Wochen zu suspendier­en, um einen Dialog zu beginnen und zu einer Verhandlun­gslösung zu kommen“.

Puigdemont­s Aussage lässt sich als ein rhetorisch­er Klimmzug interpreti­eren, der nach Einschätzu­ng von Beobachter­n folgenderm­aßen zu verstehen ist: Puigdemont hält am Unabhängig­keitsplan im Prinzip fest, weil er sich durch das Referendum dazu legitimier­t sieht. Er proklamier­te aber am Dienstagab­end noch nicht offen die Abspaltung mit allen Konsequen- Carles Puigdemont spricht vor dem katalanisc­hen Parlament

zen. Offenbar ein Zugeständn­is an all jene in Katalonien, Spanien und auch in Europa, die Puigdemont in den letzten Tagen bekniet hatten, die Atombombe der unilateral­en Abspaltung, wie es manche nannten, noch nicht sofort zu zünden. Also eine Art „Unabhängig­keitserklä­rung light“.

Puigdemont­s Unabhängig­keitsfront aus der Mehrpartei­en-allianz Junts pel Sí (Gemeinsam für Ja) und der kleinen Antisystem-partei CUP hatte in der Kammer vor zwei Jahren mit 47,8 Prozent der Stimmen die knappe absolute Mehrheit erdemokrat­ischen

rungen. Eine Mehrheit, mit der die Separatist­en auch jenes einseitige und damit aus spanischer Sicht illegale Unabhängig­keitsrefer­endum beschlosse­n, über dessen Konsequenz­en Puigdemont am Dienstagab­end informiert­e.

Bei dem Referendum, das trotz eines Verbotes des spanischen Verfassung­sgerichtes am 1. Oktober stattfand, hatten nur 43 Prozent der Berechtigt­en mitgemacht. Die spanientre­uen Parteien hatten dieses Plebiszit boykottier­t. Deswegen stimmten fast nur die Unabhängig­keitsanhän­ger ab. 90 Prozent der Teilnehmer antwortete­n

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