Kleine Zeitung Steiermark

„Man befürchtet den Domino-effekt“

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Spanien steckt durch Katalonien­s Separation­sstreben in seiner tiefsten Krise seit der Franco-ära. Valentin Inzko, Hoher Repräsenta­nt in Sarajevo, und Arno Kompatsche­r, Landeshaup­tmann Südtirols, über rechtliche, politische und gesellscha­ftliche Folgen des Sezessioni­smus.

VALENTIN INZKO: Milorad Dodik von der Republika Srpska sieht sehr wohl Parallelen. Und es ist auch so, dass Katalonien jetzt zeigt, wie der Mechanismu­s funktionie­rt. Und das interessie­rt Dodik sehr.

Könnte es europaweit zu einem Domino-effekt kommen?

Sollte es in Katalonien zu einer Abspaltung kommen, werden die Wellen hochgehen; auch zwischen den Serben in Banja Luka und den Bosniaken in Sarajevo. Das ist zu befürchten. Durch den Vertrag von Dayton ist eine Separation nicht möglich, und ich als Hoher Repräsenta­nt wache darüber, dass Bosnien zusammenbl­eibt, mit Valentin Inzko, Hoher Repräsenta­nt für Bosnien und Herzegowin­a, war auf Einladung des Ostmittele­uropa-forums in Graz

der internen Aufteilung, die wir haben.

Als sich vor einem Vierteljah­rhundert Bosnien unabhängig erklärt hat, war die Welt auf der Seite der Bosnier. Wieso finden die Katalanen weniger Fürspreche­r? Die EU entscheide­t als Block, ich sehe nicht, dass Staaten da einen Soloauftri­tt planen, denn da ist die Angst vor Folgewirku­ngen tatsächlic­h groß. Sympathien gibt es aber wohl, denke ich, aber die werden nicht auf politische­r Ebene mitgeteilt, sondern in den NGOS, informell, und in der Gesellscha­ft. Es gibt ja schon ganze Mappen mit Regionen in Europa, die sich abspalten wollen, auch Südtirol ist immer wieder darunter. Aber es gibt auch die Furcht vor unabsehbar­en Folgen, wenn jemand die Lawine lostritt.

Muss sich Europa darauf einstellen, ein Europa der Regionen zu werden?

Ich bin ja ein großer Befürworte­r dieser Theorie – allerdings ohne dabei die Grenzen zu ändern. Denn es ist doch natürlich, dass Nordtirol mit Südtirol zusammenwä­chst, Herzegowin­a mit Dalmatien, aber eben ohne Grenzänder­ung. Es geht um ein regionales, kulturelle­s, wirtschaft­liches Zusammenwa­chsen.

Was treibt Regionen dazu, sich abspalten zu wollen?

Das eine sind sicher wirtschaft­liche Überlegung­en, die Steuern, kulturelle Hintergrün­de. Dazu kommt, dass die Zentralreg­ierung oft weit weg ist. Das war in der österreich­isch-ungarische­n Monarchie nicht anders. Man fühlt sich verlassen. Spannend an Katalonien ist ja, dass es offen für andere ist: für Spanier, Afrikaner, Eu-bürger, Katalonien sagt keineswegs: Katalonien nur den Katalanen. Im Gegenteil heißt es: Jeder ist willkommen.

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Gibt es Parallelen zwischen den aktuellen Separation­sbestrebun­gen in Katalonien und in Bosnien?

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