PREMIERE „Wien bleibt Wien“als ernsthafte Drohung
Wunderbarer Georg-kreisler-liederabend von und mit Nikolaus Habjan und Franui.
Kurz vor seinem 75er veröffentlichte der damals in Basel lebende Multiartist Georg Kreisler einen offenen Brief, in dem er sich die alle fünf Jahre eintrudelnden Glückwünsche von hohen österrei- chischen Amtsträgern verbat. Natürlich war Kreisler verbittert. Nicht grundlos. Als Jude musste er 1938 das Land verlassen, 1955 kam er als Usstaatsbürger zurück und wollte die Staatsbürgerschaft wiederhaben – bekam sie aber nicht, weil er sich weigerte, ein Leumundszeugnis über seine Zeit im Exil vorzulegen. Sein Zorn resultierte daraus, dass keinem einzigen österreichischen Nazi Derartiges abverlangt wurde.
Kreisler (1922–2011) war fixer Bestandteil jener Kunstund Kulturszene, die gegen den österreichischen Mief der 50er- und 60er-jahre aufstand. 28 Lieder und Sprechtexte haben nun der Grazer Regisseur und Puppenbauer Nikolaus Habjan und sechs Musiker der Südtiroler Gruppe Franui zu einem formidablen Bühnenabend montiert.
Die Premiere im Volkstheater Wien begann mit einem Auftritt der Direktorin Anna Badora, die Applaus für Nikolaus Habjan urgierte, weil der für den plötzlich erkrankten Christoph Rothenbuchner als Akteur im Frack einsprang. Der 30-jährige Allrounder sowie Gabor Biedermann, Günter Franzmeier, Isabella Knöll, Claudia Sabitzer und Stefan Suske präsentierten bei allerlei Vorhangbewegungen und einigem Theaternebel Kurzszenen, die mit der Zugabe „Der Tod, der muss ein Wiener sein“einen heftig akklamierten Abschluss fand. Mitunter hätte man sich für Kreislers Sarkasmus einen „trockeneren“Gestus gewünscht. Beim „Kapitalistenlied“trägt eine Puppe Sebastian Kurz’ Gesichtszüge. In der Moderation heißt’s: „Die Zukunft ist – kurz“. Der Abend ist wunderbar kurzweilig.
Reinhold Reiterer Wien ohne Wiener. 14., 15., 23., 27., 30. Oktober, 10., 15., 16., 18., 19. November, Volkstheater Wien. Karten: Tel. (01) 52 111-400. www.volkstheater.at Regisseur Nikolaus Habjan Isabella Knöll, Habjan-puppen und Stefan Suske