Die Spitzenkandidaten der Groß-und Kleinparteien sind nicht so geartet, dass man sich genieren müsste.
nicht nur langweilig, es erweckt auch den Anschein der Einfallslosigkeit. Der mediale Overkill ist, wie sich zeigt, dem Anliegen demokratischer Wählerinformiertheit nicht zuträglich, auch wenn der österreichische Journalismus weitgehend seriös, einfallsreich und intelligent gearbeitet hat. Doch Meinungsforscher sagen, dass es bei allen vorgeführten Personen im Laufe des Wahlkampfs einen Niedergang der Zustimmungsraten gegeben hat. Demokratische Affinität wird dergestalt (paradoxerweise) ab- statt aufgebaut.
Drittens: die Verwechslung des Wahlkampfs mit einem Show-wrestling-event. Ein allzu hoher Anteil der Wahl- wird – vom Publikum und vom Kommentariat – unter der Perspektive vergleichender Miesheit wahrgenommen: Wer hat wen „erwischt“? Wer war beim Hühneraugentreten zielgerichteter? Welche Zielgruppe wurde bedient? Und nicht: Wie sehen die Vorschläge aus? Sind sie sinnvoll? Sind sie machbar? Es gab zwar nicht viel „hate speeches“, aber viele „lousy speeches“: Politik als Geschäft, welches nur an die übleren Neigungen der Menschen appelliert, in Gesprächen, in denen es nur um taktische Finessen geht. Die politische Rede ist immer öfter hineingeraten in ein Vokabular, welches angesiedelt ist zwischen Ausbeutungsprosa, Abzockervermutungen und Antisystem-appellen – sodass man zuweilen den Eindruck bekam, es sei geradewegs aus den 1920er-jahren importiert worden. Bei der letzten Fernsehdiskussion ist es wieder ganz gut gelaufen, da konnte das Widerlichkeitspotenzial hintangehalten werden. Nur das Parlament hat noch eine peinliche und überflüssige Geldverteilungsabschiedsshow geliefert, mit hoher Unempfindlichkeit gegenüber der eigenen Lächerlichwerdung. as führt zum vierten Punkt: Der Wahlkampf wäre die Zeit der gediegenen Auseinandersetzungen über Leistungen und Erwartungen, über Möglichkeiten und Programme, über Effizienz und Legitimität. Das, was man „diskursive Demokratie“nennt. Wir wollen nicht naiv sein: Wir wissen, dass die Wirklichkeit solchen Idealvorstellungen nicht entsprechen kann. Doch muss wenigstens ein schwacher Abglanz ernsthaften demokratischen Gehabes übrig bleiben. Das gilt auch für andere europäische Länder. Sonst gewinnt die Frage an Boden, wozu wir wirklich noch die Fassade einer Demokratie brauchen, die ideengeschichtlich wie lebenspraktisch auf ganz anderen Grundlagen und Verhaltensweisen ruht. Sonst könnten wir auch würkampfäußerungen
Dfeln. Nichts ist unzerstörbar, auch nicht die Demokratie. Man hätte jahrzehntelang nicht gedacht, eine solche Diskussion wieder führen zu müssen – aber die Nichtselbstverständlichkeit demokratischer Freiheiten sollte in den nächsten Jahren, jenseits von Wahlkämpfen, wieder ins Bewusstsein dringen. as also ist, fünftens, am Ende des Wahlkampfes zu sagen? Das war kein Ruhmesblatt österreichischer Politikkunst. Und es liegt am Publikum, nicht noch ein Unding draufzusetzen, also sich selbst in den Zustand der umfassenden „Systemverachtung“zu manövrieren. Das ist seinerzeit nicht gut ausgegangen. Es gibt Zeiten, in denen politisch manches schiefgeht (wie selbst die ehrenwerte amerikanische Demokratie derzeit unter Beweis stellt, und dort sind es im Vergleich zu Österreich noch ganz andere Dimensionen des „Abgründigen“). Wir sollten deshalb neunzig Prozent des Wahlkampfes einfach vergessen. Die Spitzenkandidaten der Großund Kleinparteien sind nicht so geartet, dass man sich genieren müsste. (Zumindest kommt keiner und keine auch nur im Entferntesten an Pathologien des Donald Trump heran.) Wir sollten darauf bauen, dass das geistige Wahlkampfbesäufnis der Nüchternheit weicht und dass nach einer kurzen Zeit der Peinlichkeitsbewältigung „gearbeitet“wird. Deshalb die staatstragende Mahnung: Wir sollten wählen gehen.
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