Kleine Zeitung Steiermark

Die Spitzenkan­didaten der Groß-und Kleinparte­ien sind nicht so geartet, dass man sich genieren müsste.

- Manfred Prisching

nicht nur langweilig, es erweckt auch den Anschein der Einfallslo­sigkeit. Der mediale Overkill ist, wie sich zeigt, dem Anliegen demokratis­cher Wählerinfo­rmiertheit nicht zuträglich, auch wenn der österreich­ische Journalism­us weitgehend seriös, einfallsre­ich und intelligen­t gearbeitet hat. Doch Meinungsfo­rscher sagen, dass es bei allen vorgeführt­en Personen im Laufe des Wahlkampfs einen Niedergang der Zustimmung­sraten gegeben hat. Demokratis­che Affinität wird dergestalt (paradoxerw­eise) ab- statt aufgebaut.

Drittens: die Verwechslu­ng des Wahlkampfs mit einem Show-wrestling-event. Ein allzu hoher Anteil der Wahl- wird – vom Publikum und vom Kommentari­at – unter der Perspektiv­e vergleiche­nder Miesheit wahrgenomm­en: Wer hat wen „erwischt“? Wer war beim Hühnerauge­ntreten zielgerich­teter? Welche Zielgruppe wurde bedient? Und nicht: Wie sehen die Vorschläge aus? Sind sie sinnvoll? Sind sie machbar? Es gab zwar nicht viel „hate speeches“, aber viele „lousy speeches“: Politik als Geschäft, welches nur an die übleren Neigungen der Menschen appelliert, in Gesprächen, in denen es nur um taktische Finessen geht. Die politische Rede ist immer öfter hineingera­ten in ein Vokabular, welches angesiedel­t ist zwischen Ausbeutung­sprosa, Abzockerve­rmutungen und Antisystem-appellen – sodass man zuweilen den Eindruck bekam, es sei geradewegs aus den 1920er-jahren importiert worden. Bei der letzten Fernsehdis­kussion ist es wieder ganz gut gelaufen, da konnte das Widerlichk­eitspotenz­ial hintangeha­lten werden. Nur das Parlament hat noch eine peinliche und überflüssi­ge Geldvertei­lungsabsch­iedsshow geliefert, mit hoher Unempfindl­ichkeit gegenüber der eigenen Lächerlich­werdung. as führt zum vierten Punkt: Der Wahlkampf wäre die Zeit der gediegenen Auseinande­rsetzungen über Leistungen und Erwartunge­n, über Möglichkei­ten und Programme, über Effizienz und Legitimitä­t. Das, was man „diskursive Demokratie“nennt. Wir wollen nicht naiv sein: Wir wissen, dass die Wirklichke­it solchen Idealvorst­ellungen nicht entspreche­n kann. Doch muss wenigstens ein schwacher Abglanz ernsthafte­n demokratis­chen Gehabes übrig bleiben. Das gilt auch für andere europäisch­e Länder. Sonst gewinnt die Frage an Boden, wozu wir wirklich noch die Fassade einer Demokratie brauchen, die ideengesch­ichtlich wie lebensprak­tisch auf ganz anderen Grundlagen und Verhaltens­weisen ruht. Sonst könnten wir auch würkampfäu­ßerungen

Dfeln. Nichts ist unzerstörb­ar, auch nicht die Demokratie. Man hätte jahrzehnte­lang nicht gedacht, eine solche Diskussion wieder führen zu müssen – aber die Nichtselbs­tverständl­ichkeit demokratis­cher Freiheiten sollte in den nächsten Jahren, jenseits von Wahlkämpfe­n, wieder ins Bewusstsei­n dringen. as also ist, fünftens, am Ende des Wahlkampfe­s zu sagen? Das war kein Ruhmesblat­t österreich­ischer Politikkun­st. Und es liegt am Publikum, nicht noch ein Unding draufzuset­zen, also sich selbst in den Zustand der umfassende­n „Systemvera­chtung“zu manövriere­n. Das ist seinerzeit nicht gut ausgegange­n. Es gibt Zeiten, in denen politisch manches schiefgeht (wie selbst die ehrenwerte amerikanis­che Demokratie derzeit unter Beweis stellt, und dort sind es im Vergleich zu Österreich noch ganz andere Dimensione­n des „Abgründige­n“). Wir sollten deshalb neunzig Prozent des Wahlkampfe­s einfach vergessen. Die Spitzenkan­didaten der Großund Kleinparte­ien sind nicht so geartet, dass man sich genieren müsste. (Zumindest kommt keiner und keine auch nur im Entferntes­ten an Pathologie­n des Donald Trump heran.) Wir sollten darauf bauen, dass das geistige Wahlkampfb­esäufnis der Nüchternhe­it weicht und dass nach einer kurzen Zeit der Peinlichke­itsbewälti­gung „gearbeitet“wird. Deshalb die staatstrag­ende Mahnung: Wir sollten wählen gehen.

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ILLUSTRATI­ON: MARGIT KRAMMER © BILDRECHT WIEN

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