Kleine Zeitung Steiermark

Frust und Jubel: „Mei Wien is net deppert“

- Von Adolf Winkler

„Yes, we Kern“-rufe für SPÖ-CHEF trotz Niederlage

Im Burgtheate­r neben dem Spö-wahlzelt spielt man das Stück „Jedermann stirbt“. Ein schwarzes Plakat zitiert daraus ahnungsvol­l: „Es kommt ein Augenblick, in dem die Perspektiv­e dreht.“Vor der Spözentral­e an der Löwelstraß­e 18 bleibt Michael Häupl wortkarg: „Ich bin nur ein kleiner Bürgermeis­ter, kein Prophet. Wenn wir Wien halten, ist es gut.“Um 17.15 Uhr stürzt die Kanzlerpar­tei in der ersten Orf-hochrechnu­ng ab auf Platz drei. „Eine Katastroph­e“, seufzt ein Assistent aus dem Kanzleramt. Aus der Feier, für die der Wirt 40 Fass Bier gebunkert hat, wird Erster Schock. Gruber ging „von Plus aus“

SPÖ im Stahlbad der Verliererg­efühle. In der Löwelstraß­e klammerte man sich an den Zugewinn im „roten Wien“. So feierte sich Michael Häupl als Retter von Christian Kern.

hier wohl nichts mehr. „Der Wähler hat immer recht“, räumt Christoph Matznetter zerknirsch­t die Niederlage ein. Im Zelt wird die Niederlage an „Schlammsch­lacht“und „Hetze der Blauen“festgemach­t. Silberstei­n? „Aufgebausc­ht!“

Der Kandidat ist sakrosankt, auch für Häupl, obwohl er und die Wiener SPÖ brüskiert wurden, als Peter Kaiser, Michael Schickhofe­r und andere Länder-granden per Pakt im Hotel Schani Werner Faymann ausgehebel­t und Christian Kern inthronisi­ert hatten. Häupl trotzig: „Ich bin ein Kernianer.“Auch Tv-physiker Werner Gruber berechnet die Sterne heller: „Ich gehe von einem Plus aus.“

18.06 dreht die Perspektiv­e tatsächlic­h und bombastisc­h. „Haaß is“, ruft Wiens Vizebürger­meisterin Renate Brauner der angewachse­nen Menge im schwülen Zelt zu. „Aber die Hitze kommt von unseren Herzen, die weiter für die SPÖ brennen“, versucht sie, die Frustriert­en aufzumunte­rn. In dem Moment leuchten hinter ihr am riesigen Schirm 27 Prozent und Platz zwei für die SPÖ in der neuen Orf-hochrechnu­ng auf. Für den Platztausc­h mit der FPÖ, plötzlich wie ein Triumph, brandet eine Minute lang tosender Jubel auf. Brauner packt die Emotionen und peitscht für den Parteichef ein: „Wir stehen hinter Christian Kern.“

Gleich aber schwillt der Jubel noch euphorisch­er an, als die Hochrechnu­ng für Wien erscheint: Drei Prozent plus hieven die SPÖ in der Bundeshaup­tstadt auf 34 Prozent, denen je rund 21 Prozent von ÖVP und FPÖ gegenübers­tehen. „Wien, Wien, Wien“, johlen 500 Kehlen und ertränken den Frust im Jubel auf sich selbst.

Auf diesen Moment hat Häupl gewartet, um mit dem Einzug von der Löwelstraß­e hinüber ins Wahlzelt sein politische­s Schwergewi­cht noch einmal zu zelebriere­n. „Mei Wien is net deppert“, ruft er nach tosendem Mengenbad von der Bühne. Man feiert überschäum­end einen Wahlsieger, der gar nicht kandium

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Michael Häupl zog wie im Triumph
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