Die Hürde genommen, die Flasche verloren
Die Parteizentrale „Neosphäre“im siebten Wiener Bezirk kocht am Sonntagnachmittag. Frenetischer Jubel bei den ersten Hochrechnungen. Dann kommt der Grünen-schock und auch die eigenen Ergebnisse bröckeln.
Mitten zwischen den Hunderten Neoswahlkämpfern, die im Dachgeschoß der Parteizentrale im siebten Wiener Gemeindebezirk schon lange vor fünf Uhr nachmittags siegessicher feiern, steht Ferry Maier. „Gelingende Integration“, dafür haben die Pinken den einst Erzschwarzen angeheuert. „Schwarz gibt es jetzt doch nicht mehr“, witzelt Ferry Maier blendend gelaunt. Lange war der ehemalige Spitzenmanager von Raiffeisen Övp-abgeordneter. Nein, er ist natürlich nicht bei der falschen Party. Seit Maier vor zwei Jahren Seite an Seite mit Christian Konrad für Zehntausende Flüchtlinge Tag und Nacht Hilfe organisiert hat, konnte er mit dem Kurs von Sebastian Kurz nicht mehr mit. „Er hat die Hemmschwelle zu Strache abgebaut. Ich habe mich da nicht mehr wohlgefühlt. Die Neos glauben an Europa.“Sepp Schellhorn neben ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Ihm ist im Gegensatz zu den meisten hier die Spannung ins Gesicht geschrieben. Dann frenetischer Jubel. Orf-moderator Tarek Leitner erscheint am Mega-bildschirm. „Jetzt Ohren zuhalten“, empfiehlt Patricia Berger, eine Unternehmerin aus Oberösterreich. Sie selbst hält sich nicht an die Empfehlung, freut sich lauthals mit. Minutenlanger Jubel. Henni Brandstötter hat die wogende Masse gut im Griff. Sie ist die Aktionismusleiterin in diesem kochenden Dachgeschoß, animiert immer wieder zum kollektiven Freudentaumel. Da ist noch immer gar nicht klar, ob für die Partei mit dem eloquen- Die Begeisterung wich erst später der Ernüchterung, keine Zuwächse
ten Chef Matthias Strolz die pinke Brille passt oder nicht.
„Für mich ist es auch ein Erfolg, wenn wir mindestens so ein Ergebnis einfahren wie beim letzten Mal“, ist Manfred Wondrak bescheidener als die Masse, die sich hier zuprostet.
Die erste Hochrechnung geht im Lärm völlig unter. Als die Menge kurz Luft holt, weil die Grünen aus dem Parlament fliegen, raunt eine junge Frau ihrer Nachbarin zu: „Ein bissl mehr hätte ich mir schon erwartet.“
Unverändert neun Sitze im Parlament sollen es werden.
Sepp Schellhorn will sich keine Spur der Enttäuschung anmerken lassen. „Nein, ich bin kein bisschen enttäuscht. Es ist große Freude. Wir haben einen guten Wahlkampf gemacht, nicht mit Ängsten gespielt. Damit ist es natürlich schwer, gegen die großen Parteien durchzukommen.“
Eigentlich hatte Schellhorn eine Flasche Wein darauf gewettet, dass die Neos acht Prozent machen. „Die habe ich verloren.“Die große Freude sei, trotzdem, als wirtschaftsliberale Kraft anerkannt zu werden.